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Erfolg im Studium

Vom Ehrgeiz gepackt

Kann Ehrgeiz im Studium schaden? Ja, kann er. Diplom-Psychologin Dr. Sabine Vits von der Psychologischen Beratung für Medizinstudierende des Universitätsklinikums Essen verrät im Interview, wann Ehrgeiz ungesund wird.

Studentin sitzt überfordert vor mehreren aufgeschlagenen Büchern.
Krankhafter Ehrgeiz kann sich negativ auf das Studium auswirken. Denn wenn die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen, verschlechtern sich auch oft die Prüfungsleistungen. © iStock / seb_ra

Lesedauer: 3 Minuten


Frau Dr. Vits, wie wichtig ist Ehrgeiz im Studium?

Ein gesunder Ehrgeiz ist für das Studium durchaus von Bedeutung, da er motiviert, sich anzustrengen und am Ball zu bleiben. Sein Ziel entschlossen im Blick zu behalten und zu verfolgen, hilft dabei, Durststrecken zu überstehen – zum Beispiel, wenn man Stoff lernen muss, der einen persönlich gerade nicht so interessiert. Ebenso hilft Ehrgeiz dabei, sich nach Rückschlägen und Misserfolgen wieder aufzurappeln oder zugunsten seines Ziels auch mal auf etwas zu verzichten – wenn etwa wichtige Prüfungen anstehen, draußen aber die Sonne scheint und andere Aktivitäten viel verlockender sind.   
 

Ab wann kann Ehrgeiz denn ungesund werden?

Ehrgeiz wird dann ungesund und schädlich für den Einzelnen und gegebenenfalls auch für die Menschen drum herum, wenn dem Erfolg im Studium alles andere untergeordnet wird. Studierende stecken ihre Ziele dann so hoch, dass diese extremen Druck erzeugen und zum Teil auch unrealistisch sind. Viele denken: »Ich muss immer die Beste oder der Beste sein, ich muss das Studium auf jeden Fall als Jahrgangsbeste oder -bester abschließen.« Das Denken ist dann schwarz-weiß und geht in die Richtung: Entweder ich schaffe es, besser als alle anderen zu sein, oder ich bin ein totaler Versager. Entsprechend schlecht werden dann auch Misserfolge verarbeitet.
 

Wie entwickelt sich krankhafter Ehrgeiz?

Das ist bei jedem anders. Häufig ist es aber so, dass der Wunsch, sehr viel zu schaffen, als Kompensation eines gering entwickelten Selbstwertgefühls dient. Dann ist der Selbstwert mit Leistung verknüpft beziehungsweise davon abhängig und somit sehr zerbrechlich. Das passiert, wenn Personen denken, sie werden nur geliebt, wenn sie gute Leistungen bringen. Ein solches Denken hat seinen Ursprung meistens in der Kindheit. Betroffene konnten das Gefühl, als Mensch einfach so und ohne Bedingung liebenswert zu sein, nicht entwickeln. Zuwendung und Wertschätzung müssen dann gefühlt verdient werden.
 

Welche Auswirkungen hat das auf Studium und Leben?

In bestimmten Phasen ist der Fokus einfach sehr stark auf das Studium gerichtet und anderes, wie Hobbys oder Beziehungen, spielen eine weniger wichtige Rolle. Das ist auch völlig in Ordnung, gerade in Prüfungsphasen, wo es wichtig ist, sich auf seine Ziele zu fokussieren. Bei übermäßigem Ehrgeiz gibt es dann aber keine Unterscheidung mehr zwischen »heißen Phasen« und Phasen, in denen Entspannung eintritt und Dinge wie Partnerschaft, Familie und Freunde wieder größeren Raum einnehmen. Die Folge kann sein, dass die Beziehungen darunter leiden, in die Brüche gehen oder auch gar nicht erst entstehen, weil alles dem Lernen untergeordnet ist. Im Studium werden dann zunächst sehr gute Leistungen erbracht. Aber es besteht die Gefahr, dass das irgendwann kippt.
 

Wie meinen Sie das?

Durch die ständige Anspannung, das Nicht-Wahrnehmen und Unterdrücken der eigenen Bedürfnisse sowie die Vernachlässigung von freudigen Aktivitäten kann es zu gesundheitlichen Problemen kommen. Zum Beispiel zu Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch psychosomatische Symptome wie Kopf- und Rückenschmerzen und depressive Verstimmungen können auftreten.
 

Und was kann man dagegen tun?

Wenn der Leidensdruck entsprechend groß ist und der Wunsch nach Veränderung besteht, hilft eine Psychotherapie. Es geht nicht darum, dass jemand von 150 Prozent und »Ich muss Vollgas geben« auf »Ist mir doch egal« herunterfährt. Es geht eher darum, zu gucken, welche hinterfragbaren Grundannahmen hinter dem übertriebenen Ehrgeiz stehen. Oft ist es schon hilfreich, wenn sich jemand selbst besser versteht und begreift, was sie oder ihn eigentlich antreibt. Und dann schaut man, wie das Festgefahrensein aufgeweicht werden kann: Bekomme ich auch Anerkennung, wenn ich keine Höchstleistung erbringe? Wofür werde ich von anderen außer meinen Leistungen und beruflichen Erfolgen geschätzt? Wofür kann ich mich selbst schätzen? Was macht mich als Mensch, abgesehen von der Leistung, die ich erbringe, aus? Dadurch können sich neue Perspektiven ergeben und der Blick wird wieder weiter.

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