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Prüfungsangst

»Angst gehört zu unserem Leben dazu.«

Eine Portion Aufregung gehört dazu, um Leistung in Prüfungen abzurufen. Doch einige Studierende kämpfen mit regelrechter Panik, besonders vor dem Physikum. Angelika Wuttke, Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin, arbeitet in der Psychologischen Beratung im Studierendenservice der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie weiß, was sich gegen Prüfungsangst tun lässt.

Eine junge Frau hat ihre Augen geschlossen. Sie legt sich die Hand an die Stirn und versucht ihre Angst zu bekämpfen.
Prüfungsangst kann das Leben stark beeinträchtigen, wenn sie übermäßig groß wird. Es gibt aber Wege, ihr zu begegnen und sie zu bekämpfen. © iStock / ljubaphoto

Lesedauer: 4 Minuten 

Frau Wuttke, woher kommt Prüfungsangst?

Angst gehört zu unserem Leben dazu. Herzklopfen, Schweiß, Zittern: Ihre Symptome ziehen sich durch die gesamte Entwicklungsgeschichte des Menschen und weisen uns auf potenziell gefährliche Situationen hin. Das heißt, Angst ist ein Gefahrensignal – und das ist erst einmal eine gute Sache. Wenn wir Angst empfinden, sollten wir das ernst nehmen und gucken, worin die Gefahr besteht. Früher war es die Flucht vor wilden Tieren, vor einer Prüfung weist die Angst auf die Gefahr des Nicht-Bestehens hin. Sie hilft daher, dass wir uns aufs Lernen konzentrieren und nicht tausend andere Dinge tun. 

Die Angst also nicht verdammen, sondern mit ihr arbeiten?

Genau. Das wäre mein Tipp. Wegdrücken macht alles schlimmer. Angst gehört dazu: Sie hilft, dass ich lerne und dadurch die Gefahr des Nicht-Bestehens verringere. Bei der Prüfung geht es darum, zu zeigen, was man gelernt und verstanden hat. Aber für viele ist es noch mehr: Ein Nicht-Bestehen wird als Scheitern und Versagen erlebt. Das ist dann keine Leistungs-, sondern eine Persönlichkeitsbewertung. 

Und meiner Erfahrung nach sind Medizinstudierende davon besonders betroffen. Wenige von ihnen mussten in der Schule um ihre Leistungen fürchten, sie waren immer die Besten. Jetzt im Medizinstudium kommen lauter Einser-Kandidaten zusammen, und das Leistungsfeld sortiert sich neu. Wenige sind dann noch die Besten, die Anderen kommen an ihre Grenzen.  

Sie erleben zum ersten Mal das Gefühl des Scheiterns? 

Richtig. Und es wird mitunter als Kränkung empfunden: Nicht mehr die oder der Beste zu sein, ist für viele eine neue und schwierige Erfahrung. Wichtig ist hier vor allem, die fatale Verbindung aufzulösen „Gute Leistung = gutes Kind, schlechte Leistung = schlechtes Kind!“ Die Angst vor Prüfungen bezieht sich oft auf diese befürchtete Abwertung. 

Wann übersteigt denn die Angst das normale Aufgeregtsein?

Wenn man so aufgeregt ist, als stünde Schreckliches bevor, sollte man sich fragen, worin das bestehen könnte. Wenn jemand viele Lücken hat und nicht vorbereitet ist, hat die Angst ja recht. Wenn man jedoch gut gelernt hat und das Gelernte auch wiedergeben kann, dann kann sich die Angst auch auf befürchtete Abwertungen beziehen und tiefer gehen. 

Was raten Sie bei akuter Angst in einer Prüfung?

Prüfungsangst hat in der Prüfung selber eigentlich nichts mehr zu suchen. Wenn ich eine Frage nicht beantworten kann, heißt das nicht, dass ich dumm bin. Sich dann selber zu beschimpfen und sich das Schlimmste auszumalen, steigert die Angst. Dann sollte man im Gegenteil versuchen, sich zu beruhigen und an die Erfahrung zu erinnern, was man den Anderen erzählt hat, und sich dadurch Mut zusprechen, dass die Antwort einfallen wird. Erst einmal mit der Beantwortung der weiteren Fragen fortzufahren, ist eine Möglichkeit, aus dem „Du schaffst das nicht“-Gefühl herauszukommen. 

Was ist mit den gefürchteten Blackouts?

Ein Blackout ist wie ein seelischer Kurzschluss. Wenn ich die Antwort auf eine Frage nicht weiß, ich mir dann Druck mache, mich zu beschimpfen beginne und vielleicht noch das Schlimmste bis hin zum Studienabbruch ausmale – dann wird „abgeschaltet“, bevor „die Sicherung durchbrennt“. Dagegen lässt sich vorbeugend etwas tun: Je öfter ich den Stoff erzähle, desto mehr werden daraus Erfahrungen, an die ich mich erinnern kann. Je freundlicher ich mit mir auch bei unbekannten Fragen umgehe, desto weniger Blackout tritt auf. 

Wann sollte ich mir Hilfe von außen holen? 

Wenn die Angst und die negative Selbstbeurteilung so viel Macht gewinnen, dass sie die Szenerie übernehmen. Dann kann professionelle Unterstützung von außen helfen, Zusammenhänge besser zu verstehen und zu ändern – oft auch bevor es zu einer Störung mit Krankheitswert wird.  

Auf einen Blick: 5 Tipps gegen Prüfungsangst

  • Lerne den Stoff nicht nur. Gib ihn auch laut wieder: zum Beispiel in Lerngruppen oder bei einem Quiz. Nur so erfährst du, ob du den Stoff wirklich verstanden hast.
     
  • Schaffe positive Erfahrungen. Du kannst dich an deine eigenen Aussagen während deiner Lernphase gut erinnern, wenn du dir den Stoff immer laut erzählst. Du weißt, er ist in deinem Kopf und du kannst Dich damit beruhigen.
     
  • Plane so, dass du Erfolg hast. Teile den großen Berg an Informationen in realistische, kleinere Blöcke auf. Du schaffst dir damit Erfolge, Schritt für Schritt. Und du kommst voran.
     
  • Entspanne dich. Meditation, Sport, autogenes Training – schaffe dir bewusst Auszeiten. Diese helfen dir, zu entspannen. Du darfst achtsam mit dir umgehen, denn du lernst deine Fächer nicht unter Zwang. Durchatmen ist wichtig und lässt auch Angst kleiner werden.
     
  • Akzeptiere die Angst. Sie hilft dir, dich in Prüfungssituationen zu fokussieren. Aber überlass ihr und den inneren Kritikern nicht das Feld. Mache dich nicht selbst in der Prüfung fertig. Eine nicht beantwortete Frage ist nur eine nicht beantwortete Frage – es bedeutet nicht, dass du blöd bist oder das Studium nicht schaffen wirst.

 

 

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