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Allgemeinmedizin

Eine Klasse für sich

Seit dem Wintersemester 2019/2020 haben Studierende an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg die Möglichkeit, sich vom ersten Semester an gezielt der Allgemeinmedizin zu widmen. Wir haben mit Prof. Dr. Markus Herrmann, Direktor des Institutes für Allgemeinmedizin und Projektleiter der »Klasse Hausärzte« über das Projekt gesprochen. 

Junge Medizinstudentin hört Patientin mit Stethoskop ab.
Die Studierenden der »Klasse Hausärzte« lernen bereits ab dem ersten Semester die Allgemeinmedizin kennen und kommen früh mit Patienten in Kontakt. ©dusanpetkovic

Lesedauer: 3 Minuten

Herr Prof. Dr. Herrmann, warum wurde die Hausärzte-Klasse ins Leben gerufen?
Seit Jahren herrscht ein zunehmender Mangel an Hausärzten im ländlichen Bereich. Darum haben wir uns die Universität Halle zum Vorbild genommen. Dort gibt es bereits seit 2011 die »Klasse Allgemeinmedizin«. Da das Projekt dort sehr erfolgreich gestartet ist, haben wir die Idee entwickelt, ähnliches bei uns in Magdeburg anzubieten. So wurde die Idee geboren, einer ausgewählten Gruppe an Interessierten von Anfang an allgemein- und hausärztliche Inhalte zu vermitteln. Ziel ist es, dass sich mehr Studierende für eine Tätigkeit in der Allgemeinmedizin entscheiden und bestens auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Am ersten Durchgang nehmen zurzeit zwölf Studierende teil.

Wo liegen die Unterschiede zum üblichen Medizinstudium?
Das Medizinstudium ist davon geprägt, dass die Dozierenden häufig wechseln und sich nur wenige längerfristige Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden entwickeln, die prägend für die spätere berufliche Tätigkeit sind. Das wollen wir bei der »Klasse Hausärzte« ändern, denn die dabei entstehenden Beziehungen zwischen Studierenden und ihren Mentoren können durchaus Auswirkungen auf die spätere Berufswahl und die Entscheidung, in die Allgemeinmedizin zu gehen, haben. Daher bekommt jeder Studierende ab dem ersten Semester einen hausärztlichen Mentor, der sie oder ihn begleitet und bei dem die Hospitation erfolgt. Durch den engen Kontakt sollen die Teilnehmer möglichst früh eine Orientierung und auch einen Eindruck von der landärztlichen Medizin bekommen. Studierende lernen so von Anfang an die Allgemeinmedizin kennen und bekommen Einblicke in die Primär- und Grundversorgung. Dazu gehört auch, das Gemeindeleben und die Besonderheiten der Allgemeinmedizin zu erleben.

Welche Vorteile hat ein früher Kontakt mit der Allgemeinmedizin und der Arbeit auf dem Land?
Wenn Studierende früh an die Allgemeinmedizin herangeführt werden, haben sie die Chance, die breite Morbidität kennenzulernen, die sich so meistens gar nicht in der Universitätsklinik abbildet. Die Versorgung ist im hausärztlichen Bereich ja eine ganz andere als in der Klinik. Das bedeutet auch, frühzeitig die Bedeutung der vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung kennenzulernen und die Besonderheiten der hausärztlichen Kommunikation zu beobachten. Studierende erfahren, wie sich eine längerfristige Beziehung zwischen Arzt und Patient entwickelt und anfühlt, da sie bereits frühzeitig im Studium chronisch kranke Patienten über einen längeren Zeitraum betreuen und begleiten. Solche Erfahrungen werden im Universitätsklinikum oft nicht gesammelt, dort herrschen eher kurze Kontaktzeiten zu Patienten.

Welche Schwerpunkte werden noch gesetzt?
Es gibt Begleitseminare mit allgemeinmedizinischen Inhalten, die sich mit Fragen wie »Was sind häufige Beratungsanlässe?« oder »Wie sieht eine symptomorientierte Anamnese und körperliche Untersuchung aus?« beschäftigen. Zudem werden Seminare zu Themen wie ärztliche Kommunikation, Handlungskompetenzen, Selbstfürsorge, Empathie und zu verschiedenen Untersuchungsmethoden sowie den Besonderheiten des hausärztlichen Handelns angeboten. Letzteres wird eigentlich erst im dritten oder vierten Studienjahr behandelt. Bei der Klasse Hausärzte steht dies jedoch schon von Anfang an im Mittelpunkt.

Wie wichtig ist es, spezielle Maßnahmen und Programme anzubieten, um dem Landarztmangel entgegenzuwirken?
Es ist sehr wichtig, dass alle Medizinstudierenden frühzeitig mitbekommen, dass es nicht nur eine spezielle universitätsmedizinische Versorgung gibt, sondern auch einen gemeindeorientierten ambulanten Bereich. Internationale Erfahrungen in Ländern wie Kanada, Australien und Neuseeland zeigen, dass man Studierende auch gezielt anwerben muss, um die Versorgung in ländlichen Regionen sicherzustellen. Das Werben beginnt idealerweise schon in der Schule oder frühzeitig in der Ausbildung. Es hilft, gezielt in diese Richtung zu unterrichten. Zudem muss die Ausbildung dort erfolgen, wo auch die breite Versorgung der Patienten stattfindet – und das geschieht nicht in der Universitätsklinik, wo die spezialisierte stationäre Versorgung stattfindet, sondern in den Arztpraxen. Weiterbildung und Niederlassung sind dann weitere Schritte, die ebenfalls im ländlichen Raum stattfinden müssen. Studierende müssen erleben, dass auch auf dem Land gute Medizin gemacht wird, dass man nicht immer rund um die Uhr da sein muss, sondern auch Freizeit hat und eine gesunde Work-Life-Balance findet. Vielen ist das nicht bewusst, das muss sich ändern.

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