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Erfahrungsbericht

»Medizin funktioniert am besten im Team«

Die Pandemie war und ist für Ärzt:innen eine große Herausforderung. Dr. Anke Speth, ärztliche Leiterin der Poliklinik in Rüdersdorf, berichtet über ihre Erfahrungen – und was sie aus der Zeit gelernt hat.

Ein Porträt von Dr. Anke Speth, die am Schreibtisch in ihrer Praxis sitzt.
Seit 21 Jahren ist Dr. Anke Speth leitende Ärztin der Poliklinik Rüdersdorf sowie Fachärztin in der dortigen Kinderheilkunde-Praxis. ©Dena Kelishadi

Info für mich

Dr. Anke Speth teilt ihre Erfahrungen aus der Corona-Pandemie auch im KBV-Podcast »Im Sprechzimmer«. Hier findest du alle aktuellen Folgen: www.kbv.de/html/im-sprechzimmer.php

Lesedauer: 6 Minuten

Dr. Speth, was war die größte Herausforderung für Sie und Ihr Team während Corona?

Wir hatten tatsächlich mehrere Herausforderungen. Eine war es, gesunde und infektiöse Patienten der unterschiedlichen Praxen zu trennen. Das konnten wir lösen, indem wir frei gewordene Räume als zusätzliche Warteräume genutzt und den Hintereingang der Poliklinik als Zutritt für infizierte Patienten umfunktioniert haben. Daraus hat sich im Verlauf eine Abstrichstelle und Corona-Ambulanz für die gesamte Region entwickelt. 

Ab Herbst war die größte Herausforderung das Sicherstellen der medizinischen Versorgung. Aufgrund vieler Personalausfälle wegen Quarantäne von Kindern oder eigener Erkrankung muss bis heute täglich neu sortiert werden, wer wo in welcher Praxis eingesetzt wird. Bis jetzt ist es uns gelungen, alle Patienten zu versorgen, die zu uns gekommen sind – obwohl teilweise nur eine fachfremde Arzthelferin oder im Extremfall sogar nur ein Arzt ohne Helferin vor Ort war. 

Und wie hat Ihr Team diese Herausforderungen aufgenommen? 

Die Mitarbeitenden haben im Prinzip die gleichen Phasen durchgemacht wie alle anderen Menschen auch. Zuerst mussten wir lernen, wie das Virus unsere tägliche Arbeit beeinflusst. Dann gab es den Lockdown und viele sehr kurzfristige Änderungen, auf die wir uns einstellen mussten. Wir haben zusätzliche Dienstpläne für die Abstrichstelle gemacht, haben Mitarbeitende zumindest stundenweise aus ihrem gewohnten Umfeld geholt. Außerdem mussten Patienten zusätzlich bei Aufnahme abgefragt werden, ob sie gerade einen Infekt haben oder Kontakt zu Covid-19-Infizierten hatten.  

Dazu kam die enorme Belastung aller Mitarbeiter mit Kindern, neben der Angst, das Virus mit nach Hause zu bringen. Die teilweise fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und Verpflichtungen im Homeschooling nach oder neben der anstrengenden Arbeit in der Praxis forderte sehr viel Energie, aber auch Änderungen an Arbeitszeiten sowie die Flexibilität aller.  

Hat sich die Situation für Sie verändert, als die Impfung kam?

Der Beginn der Impfungen wurde von uns allen als große Befreiung erlebt. Endlich gab es etwas, womit wir nicht nur reagieren, sondern auch aktiv etwas tun konnten, um vorzubeugen. Ab Januar 2021 waren wir sehr intensiv am Impfen beteiligt, haben zuerst Impftage organisiert für das eigene und das Krankenhauspersonal, haben außerdem beim mobilen Impfen mitgemacht und das Impfen in die Praxisabläufe der Haus- und auch Facharztpraxen integriert. Viele unserer Kollegen der Poliklinik sind an freien Tagen oder nach der Sprechstunde auch in den Impfzentren im Land Brandenburg impfen gegangen. 

Im Herbst 2021 haben wir in Abstimmung mit den niedergelassenen Ärzten der Region, in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Landkreises und unter Einbeziehung von Krankenhausärzten ein Impfzentrum am Standort eingerichtet und in Impfzentren der Gemeinde mitgewirkt. So konnten wir kurzfristig viele Boosterimpfungen vornehmen und dabei auch viele Patienten erreichen, die erstmals geimpft wurden. 

Haben Sie all die Maßnahmen allein geplant oder hatten Sie dabei Unterstützung? 

Wir haben uns sehr zügig mit anderen Ärzten in der Region ausgetauscht – haben zum Beispiel Hygienekonzepte ausgetauscht und unsere Erfahrungen beim Aufbau von Abstrichstellen besprochen, uns später dann über die Organisation der Impfungen ausgetauscht und Notfallpläne abgestimmt. Dadurch ist es uns gelungen, Pläne mit möglichst vielseitigen Perspektiven zu erstellen. Bei uns in der Immanuel Klinik wurde eine Taskforce »Corona« gegründet, die für mich je nach Pandemielage wichtiger Ort für Abstimmungen von Konzepten auch mit den Klinikärzten war und die sich immer noch regelmäßig trifft. Vor allem am Beginn der Pandemie, als es auch um rechtzeitige und zum Teil bauliche Veränderungen ging, waren neben der Hygiene auch viele andere Gewerke mit eingebunden: Handwerker, IT, der Rettungsdienst und andere. Geschafft haben wir es auch Dank großer Hilfsbereitschaft durch Freiwillige.  

Wie empfinden Sie den Austausch mit den Kolleg:innen?

Das war und ist eine sehr wertvolle Erfahrung für mich – nicht nur wie, sondern auch dass es funktioniert. Und weil alle davon profitieren. Man muss das Rad nicht neu erfinden, um Patienten bestmöglich zu versorgen. Man kann an vielen Stellen gucken, welche Möglichkeiten und Voraussetzungen existieren, welche Erfahrungen Kollegen bereits gemacht haben – und wie man das bestmöglich anpassen kann. So konnten wir zum Beispiel gemeinsam in unserer Region ein System schaffen, um Covid-Patienten schnell zu identifizieren. 

Wenn Sie zurückblicken: Was hätten Sie gerne schon zu Beginn der Pandemie für Ihre Praxis umgesetzt bzw. lieber nicht getan?

Ich hätte natürlich gerne gewusst, wie gefährlich das Virus ist und wie wir uns darauf hätten einstellen müssen. Dann hätten wir schon im Januar planen und darauf hinarbeiten können, die passenden Räume und Hygienebedingungen zu schaffen, bevor die große Welle da war. Ich finde, dass uns das im Endeffekt auch tatsächlich gut gelungen ist. Zwar war unser Konzept während der ersten Welle erstmal ein Provisorium – das heißt aber aus meiner Sicht nicht, dass es schlecht sein muss. Ich wäre auch viel lieber schon besser mit den Kollegen in der Region in Kontakt gewesen. 

Welche Änderungen werden Sie beibehalten?

Die Taskforce wird weiterhin aktiv bleiben. Aktuell wird dort wöchentlich besprochen, wo Handlungsbedarf ist, welche Maßnahmen angepasst werden müssen oder auch, ob die Hygienemaßnahmen gelockert werden können. Auch das Netzwerk unter den Ärzten in der Region ist immer noch aktiv, wenn auch nicht mehr ganz so intensiv – bei Fragen sprechen wir uns weiterhin ab. Für den Bau einer neuen Poliklinik planen wir aktiv Räume für die Behandlung von Patienten mit Infektsymptomen ein, um auch in Zukunft die Ansteckungsgefahr für Patienten mit anderen Erkrankungen, die zu Untersuchungen und Behandlungen ins Haus kommen, zu minimieren.  

Außerdem haben wir es in Zeiten der Pandemie geschafft, für einige Praxen die Online-Terminvergabe einzuführen. Das ist eine sehr angenehme und sichere Sache, die uns entlastet und dafür sorgt, dass das Telefon nicht mehr pausenlos klingelt. Die Patienten haben so auch Gelegenheit, sich selbst den passenden Termin zu suchen und ihn problemlos umzuändern, zum Beispiel wenn Sie wegen Infekt kurzfristig absagen müssen. Deswegen wird das demnächst für alle Praxen installiert werden. 

Was war für Sie die entscheidendste Erkenntnis aus der Pandemie?

Dass Medizin für mich am besten im Team funktioniert. So kommen viele Leute mit den verschiedensten Erfahrungen und Kenntnissen zusammen, um die Versorgung von Menschen sicherzustellen.

 

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