Befunde in Sekundenschnelle
Künstliche Intelligenzen (KI) sind schon jetzt Teil unseres Alltags. Was sie leisten und wie sie dich bei der Behandlung von Patienten unterstützen können, erzählt Dr. Stefan Wesarg, Leiter der Abteilung Visual Healthcare Technologies beim Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt.
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Dr. Wesarg, was genau sind eigentlich künstliche Intelligenzen?
»Künstliche Intelligenz« ist ein Sammelbegriff für lernbasierte Verfahren, die Analyseschritte automatisch durchführen. Eine Untergruppe davon, die sehr interessant für medizinische Anwendungsgebiete ist, sind sogenannte neuronale Netzwerke. Diese sind wie ein »digitales Hirn«, das Informationen aus großen Datenmengen gewinnen kann.
Und was genau können diese neuronalen Netzwerke in der Medizin leisten?
Sie können darauf trainiert werden, Auffälligkeiten bei Untersuchungen zu erkennen. Dafür wird die KI mit einer großen Datenbank »gefüttert«, sodass sie den Unterschied zwischen guten und auffälligen Befunden erlernt. Werden dann aktuelle Aufnahmen vom Patienten hochgeladen, gleicht die KI diese mit dem im Neuronalen Netzwerk gespeicherten Wissen ab und zeigt Abweichungen auf. Das kann Ärztinnen und Ärzte bei der Analyse und Diagnose von Erkrankungen unterstützen.
Was für Vorteile ergeben sich daraus?
Das hat den Vorteil, dass durch den Einsatz von KI Krankheiten eher erkannt werden können. Zeigen Aufnahmen eines Patienten zum Beispiel minimale Signale einer Anomalität, können Ärztinnen und Ärzte diese mit sinnvollem Zeitaufwand nicht immer herausfiltern – es wird eher die nächste Stufe der Verschlechterung erkannt. Eine KI kann, wenn sie eben auf dieses Signal trainiert ist, Anomalien in einem Bruchteil der Zeit erkennen, sodass Behandlungen früher begonnen werden können. Momentan entwickeln wir aber auch Systeme, die gezielt auf die Behandlung erkrankter Menschen einzahlen.
Haben Sie da ein konkretes Beispiel?
Ja, beim Fraunhofer IGD entwickeln wir im Rahmen des Projekts MED²ICIN momentan eine Lösung, wo mit KI-Methoden Anomalien in medizinischen Ultraschall-Bilddaten erkannt und miteinander in Verbindung gestellt werden – in unserem Fall sind das Daten von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.Bisher zeitlich und räumlich getrennt voneinander vorhandene Patientendaten in unterschiedlichsten Systemen sollen im Projekt MED²ICIN zu einem digitalen Abbild, dem digitalen Zwilling, zusammengeführt werden. Eine da¬tenschutzkonforme Zusammenführung individueller Gesundheits- und Krankheitsdaten und deren intelligente Analyse lässt eine optimierte und effiziente Versorgung entstehen, bei der die finanziellen Mittel bestmöglich für die Behandlung des individuellen Patienten eingesetzt werden.Das soll nicht nur eine Entscheidungshilfe für Medizinerinnen und Mediziner sein, sondern auch eine bessere und schnellere Heilung von Patienten fördern.
Gibt es denn beim Einsatz von KI auch Fallstricke?
Ein Problem, das wir momentan erforschen, ist der Lernprozess von KI. Momentan ist es für uns nicht unbedingt nachvollziehbar, wie die KI etwas lernt und wie sie ihre Entscheidungen trifft.
Inwieweit kann das zu Problemen führen?
Wenn es darum geht, menschliche Entscheidungen zu ersetzen, muss man einfach wissen, wie zuverlässig die KI ihre Befunde fällt. Hier bei uns im Institut sind wir aber sowieso der Meinung, dass KI nicht die komplette Entscheidungsgewalt erhalten sollte, sondern den Ärztinnen und Ärzten als eine Entscheidungshilfe dienen sollte.
Denken Sie, dass KI Ärzte irgendwann ersetzen können?
In bestimmten Teilbereichen ja, generell eher nicht. Die bisherigen KIs sind im Gegensatz zum Menschen nur auf ein bis zwei speziellen Anwendungsgebieten trainiert. Sie sind daher eher für die stupide Datenanalyse geeignet, arbeiten dafür aber objektiver und schneller.
Also schätzen Sie, dass eine KI in Zukunft eher eine Unterstützung für die ärztliche Arbeit ist?
Ja, momentan ist das der realistischste Ansatz, auch wenn wir nicht wissen, wie sehr sich die Technik in den nächsten Jahren weiterentwickeln kann.