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Zulassung zum Studium

Noten gut, Praxis ungenügend?

Der Notendurchschnitt im Abitur ist eines der wichtigsten Auswahlkriterien bei der Vergabe der medizinischen Studienplätze. Wenn nicht sogar das wichtigste. Aber werden aus guten Schüler:innen später auch gute Mediziner:innen?

Der Ausschnitt eines Schulzeugnisses, auf dem fast alle Fächer die Note „sehr gut“ haben.
Ein sehr gutes Abitur ist Voraussetzung für das Medizinstudium – aber machen die Noten dich auch zu einem guten Arzt oder einer guten Ärztin? ©istockphoto.com/RalfGeithe

Lesedauer: 5 Minuten

Warum ist der Abischnitt beim Medizinstudium eigentlich so wichtig?

1968 wurde in Deutschland der Numerus clausus eingeführt. Der Grund: Dank der Bildungspolitik standen Abitur und Studium nun viel mehr jungen Menschen offen als zuvor. Die Ressourcen der staatlichen Universitäten konnten der wachsenden Studierendenzahl allerdings nicht gerecht werden. So wurde vor über 50 Jahren der Numerus clausus als Teil eines Notmaßnahmenplans eingeführt. In beliebten Studiengängen wie Medizin stand Studierenden ab sofort nur eine begrenzte Zahl von Plätzen zur Verfügung. 

Dieser Notmaßnahmenplan gilt bis heute. Und bis heute ist der Notendurchschnitt eines der wichtigsten Kriterien des Numerus clausus. Dieser wird von Jahr für Jahr neu berechnet, liegt aber in der Regel – je nach Bundesland – im Fach Medizin zwischen 1,0 und 1,2. Wer also einen der begehrten Studienplätze ergattert hat, kann meist auch ein sehr gutes Abitur vorweisen. Aber was sagen gute Schulnoten über die Eignung als zukünftige Mediziner:innen aus?  

Die Aussagekraft von schulischen Leistungen wurde in den letzten Jahren schon häufig kritisiert. Wir haben drei Medizinstudierende befragt, was sie von der Aussage »Gutes Abi, guter Arzt« halten.  

Christina studiert Medizin im 4. Semester und hat eine ganz klare Meinung: »Ein Wort: Bullshit. Ich finde, dass man das Abitur allgemein nicht vergleichen kann, da es schon zwischen den Bundesländern, Städten und Schulen Unterschiede gibt. Heute gibt es zum Glück auch den Medizinertest. Ein gutes Abitur zeigt, dass man gut lernen kann – oder sich mit den Lehrern gut verstanden hat. Ersteres kann einem helfen, gut durch die ersten Studiensemester zu kommen, da hier noch sehr viel auswendig gelernt wird. Einen guten Arzt macht aber nicht nur das Fachliche, sondern auch das Menschliche aus. Und das lernt man nicht im Abitur.« 

Bessere Chancengleichheit durch zusätzliche Auswahlkriterien?

Der Notendurchschnitt ist nicht das einzige Vergabekriterium. Seit 2007 kann die Teilnahme am Test für Medizinische Studiengänge, auch als TMS oder Medizinertest bekannt, die Chance auf die Zulassung erhöhen. Der TMS soll unabhängig von den Abitur-Unterschieden zwischen Bundesländern, Schulen und anderen Faktoren für eine Chancengleichheit zwischen den Studienbewerber:innen sorgen. Das Testergebnis kann dann als Auswahlkriterium in die zusätzliche Eignungsquote oder das Auswahlverfahren der Universitäten einfließen. Soziale Kompetenzen, die neben den fachlichen in medizinischen Berufen eine Rolle spielen, werden dabei aber nicht abfragt. Geprüft wird beim TMS das Verständnis für medizinische und naturwissenschaftliche Problemstellungen. 

Dass fehlende Erfahrung auf zwischenmenschlicher Ebene ein Problem sein kann, hat auch Katharina, Studentin im 4. Semester, beobachtet: »Ich bin 25 und habe erst mit 23 angefangen, Medizin zu studieren, weil ich ‚nur‘ ein Abi von 1,4 hatte. Was an sich ein gutes Abi ist, aber zu schlecht fürs Medizinstudium. Einige Bekannte mit einem 0,9 Abitur haben direkt angefangen, Medizin zu studieren – denn ‚so ein gutes Abi muss man ja nutzen‘ – um dann abzubrechen, weil es eigentlich nicht das war, was sie wollten. Sie haben im Patientenkontakt gemerkt, dass ihnen hier das gute Abi nichts bringt. Man merkt im Krankenhaus, dass Menschen, die zum Beispiel vor dem Studium eine Pflegeausbildung gemacht haben, ganz anders an die Sache herangehen als Leute, die mit 18 von der Schule kommen und bei denen nur das Abi top ist.«  

Mitgefühl als Vergabekriterium

Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass Empathie bei der Behandlung von Patient:innen förderlich sein kann. Das liegt daran, dass einem Menschen, der seinem Gegenüber mit Mitgefühl begegnet, mehr vertraut wird. So halten sich Behandelte zum Beispiel eher an die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, wenn ihr Arzt oder ihre Ärztin empathisch kommuniziert.  

Durch die Landarztquote, die 2019 erstmals in Nordrhein-Westfalen und später in weiteren Bundesländern eingeführt wurde, kann Mitgefühl ein entscheidender Faktor bei der Studienplatzvergabe sein. Dabei wird ein bestimmter prozentualer Anteil der Medizinstudienplätze an Studierende vergeben, die sich verpflichten, sich nach ihrem Abschluss für zehn Jahre in einer unterversorgten Region als Ärzt:innen niederzulassen. Dafür müssen die Bewerber:innen aber auch kein Einser-Abitur vorweisen. Viel mehr wird die persönliche Eignung berücksichtigt, zu der neben Interesse am Beruf auch eine einschlägige Berufstätigkeit beziehungsweise Ausbildung in der Pflege oder Human- oder Zahnmedizin gehören. Faktoren, die auch eine empathische Persönlichkeit voraussetzen.  

Wer also eine Eins vor dem Komma stehen hat, dem mangelt es per se an Mitgefühl? Dass ein gutes Abitur Empathie nicht ausschließt, schreibt Medizinstudent Nebur Nedops in der »Lass dich nieder!«-Facebook-Community: »Ich bin selbst mit einem zu schlechten Abi über die Wartezeit an meinen Studienplatz gekommen! Aber ich muss hier mal ‘ne Lanze für viele meiner Kommilitonen brechen. Der größte Teil der 1,0er- Abiturienten, mit denen ich studieren darf, sind meiner Meinung nach absolut dafür geeignet, gute Ärzte zu werden. Dieses ‚gute Abiturienten sind sozial inkompetent‘-Gelaber ist nur beleidigend und absolut falsch. Viele haben sich einfach schon mit 14 bis 15 entschieden, Medizin zu studieren, und haben deswegen Vollgas in der Schule gegeben. Das haben andere nicht! Deswegen haben diese guten Schüler auch eher einen Studienplatz verdient als andere.«

 

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