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Famulatur

»Famulatur – das ist gegenseiti­ger Austausch«

Dr. Thomas Georgi betreibt gemeinsam mit zwei Ärztinnen eine allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis mit hausärztlicher Versorgung in Berlin. Seine Praxis nimmt seit vielen Jahren Famulanten auf. In unserem Interview erklärt Thomas Georgi, warum er gerne mit Famulanten arbeitet und welche Vorteile sich daraus für beide Seiten ergeben.

Dr. Thomas Georgie blickt in die Kamera.
Dr. Thomas Georgi, Allgemeinmediziner in Berlin.

Wie erinnern Sie sich heute an Ihre eigenen Famulaturen? Was ist davon hängen geblieben?

Mir sind sowohl aus der Klinik als auch aus der Niederlassung einige prägende Erlebnisse in Erinnerung geblieben. In der klinischen Famulatur wurde ich das erste Mal mit der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS-Krankheit) konfrontiert – das war natürlich eine besondere Erfahrung. Und dann habe ich auch bei einem Internisten in Brandenburg famuliert. Hier war es vor allem der Umgang mit den Patienten, die einfühlsame und zugleich zielführende Art des Arztes, die mich beeindruckte. Das ist ja auch der Vorteil der niedergelassenen Ärzte: Sie kennen die Lebensumstände ihrer Patienten häufig sehr genau und können auf diese Art und Weise eine sehr zugewandte und nachhaltige medizinische Arbeit leisten.
 

Wie häufig betreuen Sie Famulanten?

Wir sind eine allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis und organisieren uns miteinander so, dass wir jährlich zwei bis drei Famulanten aufnehmen können.
 

Wie finden die Famulanten zu Ihnen?

Das läuft zum Teil über Mundpropaganda, zum Teil aber auch über die Modellstudiengänge in der Charité, deren Blockpraktikanten dann zuweilen zu uns kommen. Wir sind aber auch in der Famulaturbörse der KV Brandenburg und werden uns selbstverständlich auch in der neuen Famulaturbörse der KBV eintragen. Über eine Online-Famulaturbörse haben wir übrigens sogar schon eine Famulantin aus Buenos Aires bei uns gehabt.
 

Wie wählen Sie Ihre Famulanten aus?

Wir bekommen in der Regel eine Anfrage und dann schauen wir uns natürlich in erster Linie den Ausbildungsstand an. Dann gibt es einen telefonischen Erstkontakt, und wenn dieser positiv verläuft, setzen wir uns persönlich zusammen. Das geschieht dann meistens auch bei dem Termin, an dem der Famulant seine Unterlagen bei uns abgibt.
 

Was passiert am ersten Tag der Famulatur? Bekommen die Famulanten eine Einweisung?

Zunächst müssen ein paar Formalien sein – am ersten Tag unterschreibt der Famulant seine Schweigepflichterklärung und wird dem Praxisteam vorgestellt. Dann geht?s gleich in medias res: Die Famulanten kommen mit in die Sprechstunde und haben die Gelegenheit, den Anamnesegesprächen und Untersuchungen beizuwohnen. Sie werden dabei peu à peu in diagnostische Maßnahmen eingeführt: Blutdruckmessen, Abhören von Herz und Kreislauf, aber auch in den Hals und die Ohren schauen – bis hin zur Lungenfunktionsprüfung, dem Schreiben eines EKG oder dem Blutabnehmen.  Wir versuchen, unseren Famulanten je nach Wissen und Ausbildungsstand mit allen in unserer Praxis ausgeübten diagnostischen Möglichkeiten bekannt zu machen. Manches – wie Blutabnehmen – findet selbstverständlich stets unter der Aufsicht eines Arztes statt. Unsere Praxis befindet sich praktischerweise in einem Ärztehaus, und wenn wir unsere Patienten an eine andere Facharztpraxis im Haus überweisen, dann können unsere Famulanten die Patienten auch manchmal dahin begleiten.
 

Wie reagieren Ihre Patienten auf Famulanten?

In der Regel sehr aufgeschlossen, und das freut mich. Wir sind bei unseren Patienten als Ausbildungspraxis bekannt, weil wir nicht nur Famulanten haben, sondern auch Auszubildende beim Praxispersonal, Blockpraktikanten der Charité und Assistenzärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Während der Famulatur darf jeder Famulant Patienten, die sich dafür freiwillig gemeldet haben, selbstständig intensiv befragen und untersuchen. Auf Basis seiner Untersuchung kann er dann Therapie- oder Medikationsvorschläge machen. Das bereiten wir dann ausführlich mit ihm nach. Diese freiwilligen Patienten sind meistens Senioren, die etwas mehr Zeit mitbringen können und auch die besondere Zuwendung schätzen, die ihnen durch die Famulanten zuteil wird.
 

Welche Rückmeldung bekommen Sie von den Famulanten? Was schätzen diese besonders, was machen sie gerne, was ist vielleicht unbeliebt?

Das ist individuell sehr unterschiedlich. Klar – nicht jeder nimmt gerne Blut ab, aber es gehört nun einmal zum ärztlichen Alltag dazu. Grundsätzlich bekommen wir positives Feedback und Studenten sind es ja auch von der Uni gewohnt, Feedback zu geben.
 

Wie viel Zeit wenden Sie für die Famulantenbetreuung auf?

Naturgemäß zu Beginn der Famulatur mehr als nach einigen Tagen. Insgesamt kann man sagen, dass es für mich 30 bis 60 Minuten Mehraufwand am Tag sind. Das finde ich zumutbar.
 

Profitieren Sie auch von den Famulanten – und wenn ja, wie?

Selbstverständlich. Es macht Spaß, mit jungen Leuten Umgang zu haben. Außerdem ist man als Lehrarzt entsprechend gefordert. Das betrachte ich als Gewinn. Letztlich ist das ja ein beiderseitiger Austausch. Wenn es beispielsweise in einem bestimmten Bereich neuere Verfahren oder Leitlinien gibt, dann ergibt sich daraus eine fruchtbare Diskussion zwischen uns und unseren Famulanten. Und natürlich kann ich auch nicht jede Frage eines Famulanten sofort beantworten. Manchmal muss auch ich etwas nachlesen – das ist also ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
 

Was sind aus Ihrer Sicht Vorteile der Famulatur – was können die Studierenden nur in der Praxis lernen?

Die Famulierenden lernen im Wesentlichen drei Dinge: Zum einen den Umgang mit Patienten. Bis dato kennen sie ja von der Uni meistens nur den Umgang mit Schauspielern, die bestimmte Krankheiten oder Verletzungen simulieren. In der Famulatur erleben sie echte Patienten mit allen ihren Sorgen, Nöten und Schmerzen, aber auch mit ihrer Dankbarkeit. Zum anderen lernen sie die Krankheitsbilder in der Allgemeinmedizin in ihrer gesamten Bandbreite kennen – sie lernen dabei auch viel über Differentialdiagnosen und können den richtigen Einsatz von Medikamenten lernen bzw. hierzu die Kenntnisse aus der Pharmakologie auffrischen. Nicht zuletzt lernen sie, klinische Untersuchungen durchzuführen und normale von pathologischen Befunden zu unterscheiden.
 

Was möchten Sie jungen Studenten zum Thema Famulatur noch mitteilen?

An die Studenten: Nutzt die Zeit und macht etwas aus eurer Famulatur! Und an die Kollegen: Stellt Plätze zur Verfügung und nehmt Famulanten auf. Es belebt den Praxisalltag und erleichtert jungen Medizinern den Einstieg in die Praxis.
 

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