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Stress mit Vorgesetzten

Was tun, wenn’s kracht?

Famulatur, PJ, Weiterbildung, Anstellung: Viele Stationen in deiner medizinischen Karriere, in denen du mit Vorgesetzten zusammenarbeiten wirst. Doch was kannst du tun, wenn’s Stress mit ihnen gibt?

Ein Chefarzt kritisiert eine Assistenzärztin.
Mit dem Chefarzt oder der Chefärztin kann man sich nicht immer grün sein. Was aber tun, wenn es nur Stress mit dem Vorgesetzten gibt? @iStock/LukaTBK

Lesedauer: 7 Minuten

Hierarchien im Krankenhaus und in der Praxis 

Hierarchien sind in der Medizin üblich. Nicht nur bist du als Arzt oder Ärztin weisungsbefugt gegenüber Pflegefachkräften oder medizinischen Angestellten. Als Mediziner:in in Ausbildung hast du auch selbst Chef:innen, die in der Rangordnung über dir stehen. Bei Assistenzärzt:innen sind das zum Beispiel die Fach-, Ober- und Chefärzt:innen. Aber nicht nur im Krankenhaus, auch bei der Anstellung in der Praxis hat in der Regel der niedergelassene Arzt oder die niedergelassene Ärztin das Sagen. Das muss per se nichts Schlechtes sein, immerhin kannst du von deinen Vorgesetzten auch eine Menge lernen. Kriselt und kracht es jedoch häufig, kann sich das schlechte Arbeitsklima auf deine Leistung und dein Wohlbefinden auswirken. 

 

Was genau dahinter steckt, weiß Arbeitspsychologe Dr. Michael Knoll von der Universität Leipzig: »Da Mitarbeiter:innen von ihren Vorgesetzten ein Stück weit abhängig sind, stellt sich ein Gefühl der Hilflosigkeit ein – was problematisch ist für das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter:innen.« Im schlimmsten Fall führe das in eine Abwärtsspirale: »Dann werden die Mitarbeiter:innen ihre Arbeit nicht mehr gut machen können, sich weniger zutrauen und weniger Erfolgserlebnisse haben.« 

So wirkt sich Stress auf deine Arbeit und dein Privatleben aus

Studien haben sogar ergeben, dass in einem negativen Arbeitsumfeld nicht nur die eigene Leistung leidet, sondern auch viel mehr Fehler unentdeckt bleiben. Grund ist die schlechte Kommunikation untereinander: Mitarbeitende trauen sich nicht, Fehler anzusprechen, die einfach behoben werden könnten. Das ist in der Medizin natürlich besonders problematisch, schließlich geht es um die Gesundheit von Menschen. 

Aber nicht nur Patient:innen können durch Streit und schlechtes Arbeitsklima zu Schaden kommen. Auch du musst auf dich selbst achten, denn die belastende Situation beschränkt sich nicht nur auf deinen Arbeitsplatz. »Man nimmt das mit nach Hause – mit allen negativen Konsequenzen«, so Dr. Knoll. »Der eine wird vielleicht depressiv, die andere verschiebt die Aggression, die sie gegenüber der mächtigeren Person bei der Arbeit nicht zeigen kann, auf den privaten Bereich.« Viele Gründe also, um Streitigkeiten und unfaires Verhalten von deinen Vorgesetzten genau im Blick zu behalten und bei Bedarf einzuschreiten. 

Daran erkennst du schlechte Vorgesetzte

»Interessanterweise sind schlechte Führungskräfte nicht das Gegenteil von guten Führungskräften,« so Dr. Knoll. Hauptmerkmale von schlechten Vorgesetzten seien zum Beispiel mangelnde Integrität – die Menschen halten nicht ihr Wort, lügen oder spielen das Team gegeneinander aus. Ebenso problematisch seien egozentrische Führungskräfte, die Erfolge auf sich zurückführen und Misserfolge anderen zuschreiben. Ein weiteres Indiz für schlechte Vorgesetzte: Mikro-Manager:innen, die ihrem Team andauernd reinreden und sie stark kontrollieren. Ein Zeichen für wenig Vertrauen gegenüber den Mitarbeitenden. 

So kannst du dich vor schlechten Vorgesetzten schützen

Erkennst du diese Anzeichen bei deinen Führungskräften und leidest darunter, solltest du aktiv werden. Dr. Knoll empfiehlt: »Zunächst würde ich versuchen zu verstehen, warum sich die Führungskraft so verhält, wie sie es tut. Ist sie unsicher, böswillig, vielleicht nur nicht in der Lage, an sich gute Ziele in guter Weise zu kommunizieren, steht sich vielleicht selbst im Weg? Dann kann man entscheiden, wie man damit umgeht.« 

Eine direkte Konfrontation ist möglich, wird bei der Arbeit aber höchstwahrscheinlich nur für dicke Luft sorgen. Habe auch im Kopf: Deine Führungskraft sitzt sehr wahrscheinlich am längeren Hebel. Umgekehrt könntest du der Führungskraft das geben, was sie will – bei einer narzisstischen zum Beispiel Lob und Anerkennung. Vielleicht wirst du dann in Ruhe gelassen, nachhaltig steigern lässt sich das Arbeitsklima damit jedoch nicht. »Langfristig werde ich mich nur wohlfühlen, wenn es mir gelingt, der Führungskraft zu zeigen, dass ich versuche, auf meine Art die besten Ergebnisse zu erreichen,« so Dr. Knoll. »Letztlich weiß eine gute Führungskraft, dass sie abhängig ist vom Beitrag der Mitarbeitenden. Alles was Führung erreicht, erreicht sie nur dadurch, dass ihre »Untergebenen« etwas tun.«  

Schlechte Führung ist nicht immer bösartig

Auch wenn ein schlechtes Arbeitsklima belastet: Mangelnde Integrität, Egozentrik und Unsicherheit müssen nicht immer böse Absicht des oder der Vorgesetzten sein. »Manche Führungskräfte sind einfach überfordert, weil sie nie explizit vorbereitet wurden auf ihre Führungsposition.« Etwas, was natürlich auch in der Medizin vorkommen kann. Schließlich fokussierst du dich beim Studium aufs Büffeln von Anatomie, Diagnostik oder Krankheitsbildern. Mauserst du dich zum Chef oder zur Chefin, zum Beispiel in deiner eigenen Praxis, hast du gleichzeitig einen Batzen Führungsverantwortung auf dem Tisch. Du musst also Expertise sowohl in der Medizin als auch in der Führung aufbringen – keine leichte Aufgabe, weshalb du Vorgesetzten in der Praxis oder im Krankenhaus auch im gewissen Maße mit Nachsicht begegnen solltest. 

Das macht gute Vorgesetzte aus

Ein guter Arzt oder eine gute Ärztin zu sein bedeutet also nicht direkt, auch eine gute Führungskraft zu sein. Die gute Nachricht ist aber – trägst du selbst Verantwortung für Mitarbeitende, zum Beispiel in deiner eigenen Praxis, kannst du die Qualitäten erlernen, die es für eine gute Führungskraft braucht. »Es geht mehr darum, was die Führungskraft erreichen will als um das, wie eine Führungskraft ist.« Zentral sind dabei aufgabenorientierte Tätigkeiten wie Ziele klären und Feedback geben, mitarbeiterorientierte Fähigkeiten wie Unterstützung und Vertrauensaufbau, als auch Prozesse, die das eigene Handeln als Führungskraft beschreiben, zum Beispiel Hinterfragen des eigenen Handelns und der Wunsch, sich weiterzuentwickeln. Diese Fähigkeiten können auch mit der Zeit entwickelt werden, so Dr. Knoll: »Ich empfehle dafür drei Schritte: Zuerst die Bereitschaft, die zusätzliche Herausforderung anzunehmen. Dann das Finden von Unterstützung, zum Beispiel von anderen Mediziner:innen, Mentor:innen oder Externen wie etwa einem Coach. Und zuletzt häufiger mal mit dem Team auswerten, was man erreicht hat. So kann man lernen, eine gute Führungskraft zu sein.«

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