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Schamgefühl in der Praxis

Schamgefühl in der Praxis

Die gesundheitliche Behandlung von Menschen ist etwas sehr Intimes – und kann je nach Art der Erkrankung oder Untersuchung Schamgefühle bei Patient:innen wecken. Dr. Carsten Lekutat, Leiter des Hausarztzentrums in Tegel, spricht mit »Lass dich nieder!« über die Bedeutung des geschützten Rahmens, in dem Gespräche zwischen Ärzt:innen und Patient:innen stattfinden.

Dr. Lekutat schaut in die Kamera.
Dr. Carsten Lekutat ist Allgemeinmediziner in Berlin und erfolgreicher Autor von medizinischen Ratgebern. ©Dr. Lekutat

Lesedauer: 6 Minuten

Schamgefühl ist individuell

Vertrauen ist die Basis für eine gute Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Wichtig sei es bei der Behandlung, den Patient:innen einen geschützten Raum zu bieten – und ihnen das Gefühl zu geben, dass mit allen angesprochenen Themen im Sprechzimmer vertraulich und respektvoll umgegangen wird. Dazu zählt auch, das eigene Schamgefühl zu überwinden. Dr. Lekutat betont, dass Scham für jede:n Patient:in unterschiedlich ausgeprägt ist. »Ein Schamgefühl kann aber auch dann auftreten, wenn die Beziehung zwischen den beiden Parteien nicht richtig funktioniert.«

Geschlechtsspezifische Aspekte

Gibt es ein unterschiedliches Schamempfinden zwischen Männern und Frauen? Dr. Lekutat berichtet aus seiner Lehrpraxis, dass Männer oft mehr Schamgefühl zeigen, insbesondere, »wenn es darum geht, persönliche Gesundheitsprobleme anzusprechen.« Frauen dagegen zeigen manchmal mehr Scham, wenn es für eine Untersuchung notwendig ist, sich freizumachen, berichtet der Mediziner.

Scham auf Seiten der Ärzt:innen

Auch auf der Seite der Ärzt:innen gibt es Schamgefühle, insbesondere bei jüngeren Kolleg:innen, wenn es beispielsweise darum geht, bestimmte sensible Themen anzusprechen, wie sichtbare Adipositas oder Fragen zur Darmfunktion. Um diese Barrieren zu überwinden, empfiehlt Dr. Lekutat: »Den Elefanten im Raum ansprechen und Lösungen anbieten, während gleichzeitig den Patient:innen Raum für Rückzug gegeben wird. Ein respektvoller Umgang mit den individuellen Schamgrenzen ist von entscheidender Bedeutung.«

Effektive Kommunikation in der Praxis

Basierend auf seiner persönlichen Praxiserfahrung empfiehlt Dr. Lekutat zwei besonders hilfreiche Ansätze: »Zum einen sollten medizinische Informationen rational und wissenschaftlich vermittelt werden, um den Patient:innen ein besseres Verständnis für ihre Gesundheitsprobleme zu vermitteln. Zum anderen kann das Teilen von Geschichten eine Verbindung aufbauen.« Das können eigene Erfahrungen sowie anonymisierte Erlebnisse von anderen Patient:innen sein. »Ich war selbst adipös, kann also die Patient:innen in meiner Adipositas-Sprechstunde aus Sicht eines ehemaligen Betroffenen verstehen.«

Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen

Positiv bewertet der Allgemeinmediziner den Trend, psychosomatische Beschwerden zu normalisieren. »Psychische Probleme werden tatsächlich weniger schambehaftet besprochen, das ist eine schöne Entwicklung«, sagt Dr. Lekutat und fügt an: »Die Frage nach Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist immer noch eine heikle Angelegenheit. Viele Patient:innen zögern, dieses Thema direkt anzusprechen, daher ist Unterstützung von ärztlicher Seite gefragt.«

Komplette Praxiserfahrung entscheidend

Diese Unterstützung erstreckt sich jedoch über das Sprechzimmer hinaus. Auch das Wartezimmer, der Empfang und die Praxismitarbeiter:innen spielen eine entscheidende Rolle, um die Privatsphäre und das Vertrauen der Patient:innen zu wahren. »Dazu gehört, dass Diagnosen nicht über den ganzen Flur gerufen werden. Aber auch, dass Angstpatient:innen oder Kinder nicht allzu lange im Wartezimmer sitzen sollten«, erklärt der Berliner. Dann wird die Beziehung von Respekt zwischen Patient:innen und allen Mitarbeitenden in der Praxis gestärkt. 
 

 

Über die Autor:innen

Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.

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