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Praxis und Forschung

»Die Mischung aus beidem ist perfekt.«

Niederlassung, Forschung, Familie – ein Ding der Unmöglichkeit? Ganz und gar nicht. Rheumatologin PD Dr. Diana Ernst ist nicht nur niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis in Hannover, sie forscht gleichzeitig an der dortigen Uniklinik und ist Mutter von drei kleinen Kindern. Im Interview erzählt sie, wie sie den Drahtseilakt meistert.

Ein Porträt von Dr. Diana Ernst.
Dr. Diana Ernst arbeitet sowohl in der Niederlassung, als auch in der Forschung. ©privat

Dr. Ernst, wie bekommen Sie Familie, Niederlassung und Forschung unter einen Hut?

»Das frage ich mich auch manchmal (lacht). Ich habe eine gute Betreuung für meine Kinder in der Betriebskita und dem Betriebshort, eine Wunschoma und eine gut vernetzte Nachbarschaft. Und weil mein Mann als Oberarzt in der Pneumologie hier an der Uniklinik auch sehr ausgelastet ist, achten wir darauf, unsere wenige gemeinsame Zeit freizuhalten. Außerdem muss die Arbeit natürlich Spaß machen – das ist das, was mich antreibt.«  

Ihr Fachgebiet ist die Rheumatologie: Was ist das Besondere für Sie an dieser Disziplin?

»In der Rheumatologie kann man die ganze Bandbreite der inneren Medizin anwenden. Außerdem ist es ein sehr interdisziplinäres Fach, wir arbeiten eng mit Dermatologen, Neurologen, Augenärzten und Orthopäden zusammen. Es gibt so viele unterschiedliche Krankheitsbilder: von akut lebensbedrohlich bis zum einfachen ›Gelenkrheuma‹. Weiterhin gibt es so viele unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten, auf die wir zurückgreifen können. Diese Abwechslung fasziniert mich.«

Erhalten Sie noch weitere Unterstützung, um Ihr Pensum zu meistern? 

»Seit dem dritten Kind erhalte ich in der Praxis Unterstützung von einem Entlastungsassistenten. Er übernimmt einen Teil meiner Sprechzeiten. Ich fokussiere mich aktuell lieber auf die Verwaltungsangelegenheiten, da ich diese flexibler als Sprechstunden mit Patienten einteilen kann.«

Und die freie Zeit nutzen Sie dann für die Forschung an der Uniklinik?

»Genau – ich würde die Aufteilung als 50/50 beschreiben. Die eine Hälfte meiner Arbeitszeit bin ich in der Niederlassung tätig, die andere an der Uniklinik.«

Warum haben Sie sich sowohl für Forschung als auch für Niederlassung entschieden?

»In der Niederlassung sieht man viel mehr Patienten und vor allem auch die einfacheren und blanden Verläufe in der Rheumatologie. Allerdings stellt man auch öfter Erstdiagnosen als in der Uniklinik, wo häufig schwere Verläufe und therapierefraktäre Erkrankungen eine Rolle spielen. Es macht Spaß, die Patienten langfristig zu betreuen. Die Praxis gibt mir aber auch Sicherheit und die Möglichkeit, selbstbestimmter zu arbeiten. Zusätzlich ist die Arbeit in der Praxis ein finanzieller Vorteil. Und die Forschung lässt mich mein Fachgebiet weiter vorantreiben. Projekte zu entwickeln und mit Doktoranden zu bearbeiten macht mir großen Spaß. Deshalb ist für mich die Mischung aus Niederlassung und Forschung perfekt.«

Woran forschen Sie aktuell?

»Meine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit klinischen Fragestellungen, vor allem hinsichtlich des Sjögren-Syndroms*. Das ist seit Jahren mein Forschungsschwerpunkt. Aktuell läuft ein großangelegtes Screening-Projekt an, welches in Zusammenarbeit mit gynäkologischen niedergelassenen Praxen durchgeführt wird. Mehrere Projekte liefen zum kardiovaskulären Risiko und subklinischer Atherosklerose bei diesen Patienten. Eine weitere Doktorandin beschäftigt sich aktuell mit Manifestationen in Augen.«

* Das Sjögren-Syndrom ist eine chronisch verlaufende Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen. 

Warum haben Sie sich als Fokus für das Sjögren-Syndrom entschieden?

»Das hat sich ein bisschen so gefügt. Bereits als Assistenzärztin hier in der Klinik habe ich an der Erkrankung gearbeitet. Es ist eine spannende vielseitige Systemerkrankung, die in den letzten Jahren mehr und mehr in das Interesse der Wissenschaft gerückt ist. Es sind bislang keine Medikamente zugelassen, obwohl viele Menschen unter dem Sjögren-Syndrom leiden. Wir haben zum Beispiel eine große Kohorte von über 500 Patienten. Allein zwei Doktoranden sind damit beschäftigt, die Daten in der Datenbank zu pflegen.«

Welchen Tipp geben Sie Ärzt:innen, die in die Forschung gehen wollen?

»Man sollte sich sehr früh einen Mentor suchen – jemanden, der einem hilft, sein Ziel zu verfolgen. Das lernt man ja nicht während des Studiums. Es gibt in der Rheumatologie tolle Programme für Studenten, zum Beispiel auf den jährlichen nationalen Kongressen, aber auch für junge Ärzte gibt es Angebote. Am besten informiert man sich auf den Seiten der Fachgesellschaften und des Berufsverbandes für Rheumatologen. Regional ist die Unterstützung sicherlich unterschiedlich, aber wir laden rund viermal im Jahr alle an Rheuma interessierten Studenten, Doktoranden, junge Assistenz- und Fachärzte zu Fortbildungsveranstaltungen ein, mit dem Ziel zu vernetzen und für die Rheumatologie zu begeistern.«

Und was raten Sie Ärzt:innen, die Forschung, Niederlassung und Familie miteinander vereinbaren wollen? 

»Es ist nicht so schwierig, wie man denkt – in einer Einzelpraxis ohne ärztliche Hilfe aber sicherlich nicht möglich. Eine Gemeinschaftspraxis ist da eine gute Lösung – besonders in Teilzeit und mit Entlastungsassistenz. Auch eine Anstellung ist eine Option, wenn man sich ortsmäßig noch nicht festlegen will, oder den zusätzlichen Verwaltungsaufwand nicht möchte. Man braucht allerdings die Unterstützung der Vorgesetzten in der Klinik und natürlich auch der Partner in der Praxis. Bezüglich Familie und Arbeit ist ein verlässlicher Partner, ein gutes Netzwerk und flexible Kinderbetreuung wichtig – aber auch die Achtsamkeit, Qualitätszeiten mit den Kindern und der Familie einzurichten, da dies schnell zu kurz kommen kann.«

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