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Berufsmonitoring 2022

Work-Life-Balance, Teamwork und für die Menschen da sein

Junge Ärzt:innen wollen direkt mit Patient:innen arbeiten und ihren Job mit Familie sowie Freizeit in Einklang bringen. Eine beliebte Option dabei: Die Anstellung in der ambulanten Versorgung. Zu diesem Ergebnis kommt das aktuelle Berufsmonitoring 2022. Welche Themen sonst noch relevant sind, zeigen die Daten und Trends im Überblick.

Junge Mediziner:innen besprechen sich und schauen sich Daten auf einem iPad an.
Am aktuellen Berufsmonitoring 2022 haben über 8.000 Medizinstudierende teilgenommen. Der Trend, dass Humanmedizin ein weiblich dominierter Studiengang ist, setzt sich weiter fort. ©istockphoto/sturti

Lesedauer: 7 Minuten

Zum vierten Mal wurden für das gemeinsame Berufsmonitoring der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), des Medizinischen Fakultätentages (MFT), der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) und der Universität Trier Medizinstudierende aus ganz Deutschland befragt. Was sind ihre Vorstellungen und Wünsche für ihre zukünftige Berufstätigkeit als Mediziner:innen? Was bereitet ihnen Sorge und was soll in der Ausbildung und im Berufsfeld verbessert werden?

 

Erwartung an die spätere Berufstätigkeit

Schon die Analysen der Jahre 2010, 2014 und 2018 ergaben, dass junge Ärzt:innen neben ihrem Engagement im Beruf auch Zeit für Familie und Freizeit haben möchten. Dieser Wunsch ist nach wie vor von zentraler Bedeutung. 

Außerdem wird aus den Zahlen deutlich: Die Medizinstudierenden wollen später in ihrer Tätigkeit Patient:innen versorgen, legen also Wert auf direkten Patient:innenkontakt – sei es stationär in einer Klinik oder ambulant.
 

Ambulant arbeiten in der Anstellung

Immer mehr junge Mediziner:innen sehen ihre Zukunft in einem angestellten Verhältnis in einer Praxis oder MVZ – und das am liebsten heimatnah. Über 70 % können sich für eine fachärztliche Tätigkeit in der eigenen Praxis begeistern. Auch hier spielt der Aspekt der Work-Life-Balance eine Rolle.

Demgegenüber kann sich ein gutes Drittel vorstellen, sich als Hausarzt oder Hausärztin niederzulassen. Dieser Wert bleibt seit 2010 stabil. Allerdings hat seitdem das Interesse an einer Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin etwas zugenommen.

 

Wissensvermittlung in der Ausbildung

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, welches Wissen jeweils gelehrt wird. Die Befragung zeigt, dass die Studierenden sich nicht umfassend über die Arbeitsbedingungen und Anforderungen der ambulanten Versorgung informiert fühlen. Hier besteht der Wunsch, das notwendige Wissen noch stärker als bisher in das Studium zu integrieren. 
Mittlerweile gibt es bereits erfolgreiche Modelle, die genau da ansetzen. Ein Beispiel ist das Angebot der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg: Dort wurde das Modell-Quartal Ambulante Medizin eingeführt. Bei diesem Modellstudiengang wurde das Praktische Jahr (PJ) umgestaltet. Anstelle der üblichen drei Tertiale wird hier das PJ in vier Quartale aufgeteilt und damit Platz für ein Wahlpflichtquartal Ambulante Medizin geschaffen.

Subjektiv guter Informationsstand über Anforderungen und Arbeitsbedingungen in verschiedenen Versorgungsbereichen:

  • Stationäre Versorgung: 63,5 %
  • Ambulante Versorgung: 33,3 %
  • Teamstrukturen in der ambulanten Versorgung: 11,5 %
  • Gemischte Versorgungsmodelle: 12,3 %
  • Praxisführung: 8,1 %
     

Welche ärztliche Fachrichtung ist die richtige für mich?

Erstmals wurden die Studierenden auch nach ihren Motiven für die Wahl einer bestimmten Facharztausbildung gefragt. Neben dem Interesse am jeweiligen Fachgebiet spielten auch Studieninhalte, Lehrende und die Erfahrungen in der Praxis eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung. Das Ergebnis zeigt, wie relevant es ist, dass Studierende in Praktika im ambulanten oder stationären Bereich qualifizierte Lehrärzt:innen und motivierende Bedingungen vorfinden. Die Vorliebe für ein Fachgebiet ändert sich bis weit in das Praktische Jahr hinein. Grund dafür ist unter anderem die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.
 

Männer und Frauen wählen unterschiedliche Weiterbildungen

Nach wie vor gibt es deutliche sowie signifikante Unterschiede darin, welche Facharztweiterbildungen Männer beziehungsweise Frauen vorziehen.

»Frauenfächer« sind nach wie vor eher oder teilweise auch deutlich: Allgemeinmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

»Männerfächer« sind dagegen: Anästhesiologie, Chirurgie, Innere Medizin, Radiologie, Orthopädie und Unfallchirurgie und Urologie. Bei der Chirurgie gleichen sich allmählich aber die Unterschiede zwischen den Geschlechtern an.

Kritik an der Arbeit in der Klinik

Für rund drei Viertel der Studierenden stellt die angestellte Tätigkeit im Krankenhaus eine ebenso attraktive Option dar wie die Niederlassung als Facharzt oder Fachärztin.

Allerdings zeigt die Befragung auch, dass das Krankenhaus noch stärker als 2010 als ein Ort mit hoher Arbeitsdichte, langen Dienstzeiten und wenig Zeit für die Patient:innen gesehen wird. Die jungen Ärzt:innen empfinden ihre Arbeit dort als von hohem wirtschaftlichen Druck gekennzeichnet und von starren Hierarchien sowie einer autoritären Führungskultur geprägt.

Die Antworten zeigen an dieser Stelle auch deutlich, wie hoch der Stellenwert von Familie, Privatleben und Freizeit ist. Denn gegen eine Tätigkeit im Krankenhaus sprechen aus Sicht der Studierenden vor allem die hohe Arbeitsbelastung (Dienste zu ungünstigen Zeiten) und die daraus resultierende schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auffällig ist, dass in der Mehrheit auch der Pflegekräftemangel als Grund gegen eine Tätigkeit im Krankenhaus genannt wird.
 

Teamwork ist gefragt

Unabhängig davon, ob die Studierenden eine Niederlassung oder eine Tätigkeit als angestellter Arzt anstreben: Die Einbindung in ein ärztliches Team ist ein sehr wichtiger Faktor für sie. Neben Überlegungen, dass man im Kolleg:innenkreis möglicherweise auch Freundschaften schließen kann, spielen auch Fragen der Aufgabendelegation und Teilung von Verantwortung eine Rolle.

Zudem stimmen immer mehr Befragte zu, wenn es um Fragen zur interprofessionellen Zusammenarbeit geht:

Digitalisierung: Wunsch und Realität

Es gibt Aspekte, bei denen die Teilnehmenden von einem positiven Einfluss der Digitalisierung ausgehen und beispielsweise auf eine Verbesserung der Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten hoffen.

Wichtig im Zusammenhang mit der gewünschten Work-Life-Balance ist die Einschätzung, dass die Digitalisierung zu einer Verbesserung der Arbeitsorganisation beitragen kann.

Auswirkungen der Digitalisierung

Verbesserung:

  • der Arbeitsorganisation: 81,6 %
  • der Diagnose: 80,7 %
  • der Behandlungsmöglichkeiten: 74,1 %
  • des Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis: 14,0 %

41,1 % befürchten allerdings eine Verschlechterung des Vertrauensverhältnisses.

Die befragten Studierenden gaben jedoch auch an, dass ihr subjektiv geringer Kenntnisstand über Telemedizin und Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung hier hinderlich ist.

Subjektiv guter Informationsstand über Anforderungen und Arbeitsbedingungen in verschiedenen Versorgungsbereichen

  • Telemedizin: 8,4 %
  • Digitalisierung in der medizinischen Versorgung: 13,3 %


Hinzu kommt, dass zwar rund ein Drittel der Befragten die Ziele der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens als gut oder sehr gut bewertet, aber nur 1,4 % die Umsetzung.

Der Blick ins europäische Ausland

Zum ersten Mal wurden im Rahmen des Berufsmonitorings auch Medizinstudierende in Frankreich und der Schweiz befragt (jeweils ca. 330 Studierende). Während die Erwartungen der Studierenden in der Schweiz sich mit denen der deutschen Medizinstudierenden eher deckten, gab es zu den französischen Studierenden Unterschiede. Der Wunsch nach geregelten und flexiblen Arbeitszeiten sind für die Befragten in Frankreich weniger stark relevant, auch eine eigene Praxis wünschen sich dort nur weniger als die Hälfte der Medizinstudierenden (41,8 %).
 

Über die Autor:innen

Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.

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