Mit oder ohne – wie wichtig ist der Doktortitel?
Für viele Medizinstudierende ist der Doktortitel nach wie vor erstrebenswert. Doch welche Vorteile bringt der Doktor in der Medizin seinen Trägern wirklich? Und was nutzt er in der Niederlassung?

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Es gibt wohl kaum eine Ärztin oder einen Arzt, die oder der von seinen Patient:innen nicht mit »Frau« oder »Herr Doktor« angesprochen wird. Für viele Menschen ist »Doktor« dasselbe wie »Arzt oder Ärztin«, also eher eine Berufsbezeichnung. Häufig denken sich die meisten Patient:innen gar nichts weiter dabei, wenn sie sich im Behandlungsgespräch befinden. Doch wie lautet eigentlich dann die korrekte Ansprache – ohne Doktortitel?
Wie nennt man einen Arzt oder eine Ärztin ohne Doktortitel?
Die Antwort ist ganz einfach: Genau wie in jedem anderen Berufsfeld auch, spricht man Mediziner:innen ohne Titel einfach mit ihrem Namen an.
Was ist der Unterschied zwischen Arzt und Doktor?
Der Doktortitel ist in erster Linie ein akademischer Grad, der in allen möglichen Studienfächern erworben werden kann – auch in der Medizin. Arzt oder Ärztin bist du, wenn du deine Approbation erhalten hast. Den Doktorgrad erhältst du erst, wenn du an der Universität eine wissenschaftliche Arbeit erfolgreich abschlossen hast, die speziellen Kriterien genügen muss.
Muss man als Arzt oder Ärztin promovieren?
Nein, du musst nicht promovieren, um als Arzt oder Ärztin praktizieren zu dürfen. Die Approbation, das heißt die Zulassung, um eine eigene Praxis zu eröffnen oder eine Stelle in einer Klinik anzutreten, ist in Deutschland von der Doktorwürde unberührt. Du kannst die Approbation beantragen, nachdem du dein Studium erfolgreich beendet hast. Die Approbation ist die staatliche Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Arzt oder Ärztin zu führen. Dank deiner Ausbildung bist du jetzt in der Lage, den Beruf eigenverantwortlich und selbstständig auszuführen.
Warum haben manche Ärzte keinen Doktortitel?
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum sich Medizinstudierende oder Ärzt:innen gegen eine Promotion entscheiden. Ein Faktor ist der Zeitaufwand, der während des Studiums oder des Berufsalltags eingeplant werden muss. Das ist keine leichte Aufgabe.
Hast du beispielsweise einen experimentellen Schwerpunkt bei deiner wissenschaftlichen Arbeit, musst du unter Umständen Experimente eigenständig durchführen. Diese können aufwendig sein, misslingen oder ihre Daten nicht verwertbar sein.
Mitunter spielt auch die Verfügbarkeit des Doktorvaters oder der Doktormutter eine große Rolle. Ist diese Person schlecht erreichbar oder unterstützt wenig, kann eine Doktorarbeit zur großen Belastung werden und dich im schlimmsten Fall beim Studium oder bei der Karriere behindern.
Welches Ansehen hat ein Arzt ohne Doktortitel?
Wer einen Doktortitel trägt, genießt häufig auch ein gewisses Ansehen. Für den deutschen Dr. med. gilt dies in der Welt der Wissenschaft aber nur bedingt. Das liegt daran, dass sich die Promotionen in der Medizin in ihrer Qualität unterscheiden. Und das hat bestimmte Gründe: Der Doktortitel zeigt gewöhnlich an, dass du in der Lage bist, in der Forschung auf höchstem Niveau wissenschaftlich zu arbeiten. Dazu erlernst du in den meisten Studienfächern ein gewisses Handwerkszeug, erwirbst Routine im Schreiben von wissenschaftlichen Hausarbeiten – und promovierst üblicherweise erst nach deinem Studienabschluss.
Doktortitel trotz schwankender Qualität der Dissertationen?
Im Medizinstudium läuft das häufig anders. Viele Studierende beginnen ihre Dissertation bereits im Studium, um ihre ohnehin sehr lange Ausbildungszeit nicht noch zusätzlich zu verlängern. Das bedeutet einen riesigen Berg an Mehrarbeit – und somit noch mehr Stress. Außerdem ist ihre Doktorarbeit mitunter die erste schriftliche wissenschaftliche Arbeit. Denn Hausarbeiten sind selten im Studium gefragt und es fehlt die Übung – und nicht zuletzt das Handwerkszeug, sie professionell zu erstellen. Befragungen unter Studierenden zeigen, dass zudem ihre Betreuung durch die Doktormutter oder den Doktorvater oft nicht optimal verläuft. All diese Faktoren haben Auswirkungen auf die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit.
Hilfestellung bei der Doktorarbeit
Die Konsequenz: Der deutsche Dr. med. wird im internationalen Vergleich weniger geschätzt. Deutsche Studierende, die sich beispielsweise für internationale Förderprogramme bewerben, bekommen das zu spüren. Sie müssen zusätzliche Qualifikationen mitbringen, zum Beispiel Veröffentlichungen nachweisen. Mittlerweile haben etliche Hochschulen reagiert und strukturierte Promotionsprogramme ins Leben gerufen, die Studierenden Hilfestellung bei ihrer Doktorarbeit leisten.
Doktortitel als Karrierekick
Geringeres Ansehen hin oder her: Wenn du in die medizinische Forschung gehen möchtest und du dir eine Karriere als Wissenschaftler:in vorstellen kannst, geht es nicht ohne Titel. Über die Relevanz des Doktortitels außerhalb der wissenschaftlichen Welt scheiden sich jedoch die Geister. 2017 hat der Hartmannbund Studierende gefragt, ob sie einen Nutzen in ihrer Promotion für ihre spätere Arbeit sehen: 44,3 Prozent stimmten dem zu, obwohl die wenigsten von ihnen später wissenschaftlich arbeiten wollen. Eine zweite Umfrage des Bundes unter Assistenzärztinnen und -ärzten aus dem gleichen Jahr zeigte allerdings, dass rund 60 Prozent der Befragten keinen Nutzen im Doktortitel für ihre ärztliche Tätigkeit sehen. Die Mehrheit der Ärzt:innen gab zudem an, dass ihre Arbeitgeber keinen Wert auf eine Promotion legen. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund beurteilt die Lage jedoch anders: Sie ist der Ansicht, Führungspositionen an Universitäten oder Krankenhäusern seien ohne Doktortitel nur schwer zu bekommen. Wer sich niederlassen will, kann dies getrost auch ohne Doktortitel tun. Für die eigene Praxis ist der Dr. med. keine Bedingung.
Prestige bei den Patienten?
Doch wie stehen eigentlich die Patient:innen dem Doktortitel gegenüber – schraubt der Titel am Ansehen? Die Zahlen sprechen zunächst einmal dafür. Wie der Hartmannbund in seiner Umfrage ermittelte, glaubt der Großteil der befragten Assistenzärzt:innen, dass die Promotion durchaus Einfluss darauf hat, wie Patient:innen Ärzt:innen wahrnehmen. Ob Patient:innen sie tatsächlich anders bewerten, wenn kein Doktortitel vor dem Namen steht, lässt sich jedoch objektiv schwer beurteilen. Denn genaue Erhebungen dazu gibt es bisher nicht. Allerdings liegen Befragungen vor, die zeigen, was Patient:innen bei der Suche nach einer niedergelassenen Ärztin oder einem niedergelassenen Arzt besonders interessiert und nach welchen Kriterien sie auswählen. So ergab eine Umfrage im Auftrag der Weißen Liste und der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 interessante Aspekte:
- 94 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen Informationen zu Erfahrung und Fachkenntnissen bei der Suche nach einer Ärztin beziehungsweise einem Arzt sehr wichtig oder eher wichtig sind.
- Darüber hinaus legen sie Wert auf Informationen zu Hygienemaßnahmen (90 Prozent) und zu den angebotenen Leistungen in der Praxis (84 Prozent).
- In qualitativen Befragungen zeigt sich außerdem, dass Patient:innen auf Kommunikation, Kompetenz, Service und Behandlungsqualität Wert legen: Werde ich als Patient:in ernst genommen? Erläutert mir mein Arzt oder meine Ärztin meine Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten verständlich? Kann ich darauf vertrauen, dass die Ärztin oder der Arzt über ausreichende Erfahrung verfügt, um meine Krankheit zu behandeln? Bekomme ich schnell einen Termin? War die Behandlung erfolgreich? Dies sind zentrale Aspekte, die bei der Arztsuche im Fokus stehen.
Wie viel Prozent der Ärzte haben einen Doktortitel?
Etwa zwei bis drei Prozent aller Studierenden In Deutschland promovieren. Mediziner:innen haben dabei einen deutlich höheren Anteil als andere Fachbereiche.
Gut 54.900 Personen oder 27 Prozent der Promovierenden strebten laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2023 ihren Doktorgrad in der Fächergruppe Humanmedizin bzw. Gesundheitswissenschaften an.
Doktortitel, ja oder nein? Deine Checkliste
Wie wichtig ein Doktortitel für dich ist, hängt davon ab, wohin dein Weg gehen soll:
- Willst du Karriere in der Wissenschaft machen, wird es ohne Promotion schwierig.
- Hast du Lust auf eine Führungsposition, ist der Doktortitel vielleicht nicht unbedingt der ausschlaggebende, sicherlich aber ein hilfreicher Wettbewerbsfaktor.
- Für die Niederlassung ist der Dr. med. nicht erforderlich.
Und auch nicht für eine volle Praxis. Denn für die Patient:innen scheint es wichtigere Qualitätsmerkmale zu geben, die eine gute Ärztin und einen guten Arzt ausmachen.
Über die Autor:innen
Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.