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Medizinertest

»Medizin­studierende in Heidel­berg sind heute bei weitem nicht nur Einser-Abiturienten«

Die Eins im Abi ist nicht alles – eine Erkenntnis, die sich gerade für das Medizinstudium immer mehr durchsetzt. Viele Hochschulen setzen mittlerweile neben der Abinote auf alternative Auswahlkriterien, den Medizinertest (TMS) zum Beispiel. Warum Alternativen zur Abiturnote wichtig sind, erklärt Tim Wittenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter der TMS-Koordinierungsstelle an der Uni Heidelberg, im Interview.

Alternative zur Abinote: Mit dem Medizinertest kannst du deine Chance auf einen Studienplatz deutlich erhöhen.
© iStock / Chinnapong

Lesedauer: 5 Minuten

Herr Wittenberg, was ist eigentlich der TMS?

»Der TMS, auch Medizinertest genannt, ist ein studienfeldspezifischer Studierfähigkeitstest, der nicht Fachwissen, sondern alternative Fähigkeiten wie schlussfolgerndes Denken, die Verarbeitung visueller Informationen oder die Merkfähigkeit in den Fokus nimmt.«

Weshalb ist ein alternativer Eignungstest speziell für die Medizin eine wichtige Variante?

»Das Medizinstudium ist nach wie vor sehr beliebt. Die Auswahlverfahren sind hoch kompetitiv, weshalb verschiedene Kriterien für eine faire Beteiligung aller Studienbewerber am Zulassungsverfahren wichtig sind. Das hat nicht zuletzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2017 gezeigt (Anm. d. Red.: Dieses Urteil besagt, dass das aktuelle Zulassungsverfahren teils verfassungswidrig ist und bis Ende des Jahres 2019 neu geregelt werden muss). Der TMS ermöglicht auch jenen die Teilnahme am Wettbewerb um die Studienplätze, die es mit der Abiturnote allein nicht könnten. Das macht die Bewerbergruppe deutlich heterogener. Außerdem sind Medizinstudienplätze sehr teure Studienplätze und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist ein hohes Gut. Ein Hauptziel der Fakultäten muss deshalb sein, geeignete Studierende auszuwählen, die das Studium dann auch erfolgreich beenden. Hier ist ein Eignungstest wie der TMS hilfreich, der fachspezifische Fähigkeiten für das spätere Studium prüft.«

Auf welcher Grundlage werden denn diese Fähigkeiten definiert?

»Das Studium der Medizin folgt klaren Vorgaben, durch die Ärztliche Approbationsordnung und in den letzten Jahren auch durch einen so genannten national konsentierten kompetenzbasierten Lernzielkatalog. Dadurch können auch Voraussetzungen definiert werden, die für ein erfolgreiches Medizinstudium wichtig sind und die nicht bereits durch die Abiturnote zum Ausdruck gebracht werden. An diesen Voraussetzungen sollten sich die Inhalte von Studienfähigkeitstests orientieren.«

Welche sichtbaren Veränderungen hat der TMS konkret bewirkt?

»Medizinstudierende in Heidelberg sind heute bei weitem nicht nur »Einser-Abiturienten«. Seitdem die Medizinische Fakultät Heidelberg den TMS einsetzt, hat sich das Spektrum der zugelassenen Bewerber drastisch verändert. Der Anteil der zugelassenen Bewerber mit schlechteren Abiturdurchschnittsnoten als 1,3 hat sich von 4 Prozent auf knapp 60 Prozent vergrößert. Und wie sich zeigt, scheinen Studierende mit besonders guten TMS-Ergebnissen besonders motiviert und brechen seltener das Studium ab. Sie erzielen bessere Studienleistungen als die übrigen Studierenden ihrer jeweiligen Abiturnotengruppe.«

Können Sie dieses Phänomen erklären?

»Dass der TMS gesteigerte Motivation und Studienadhärenz abbildet, muss noch empirisch belegt werden. Aber unsere Beobachtungen in Heidelberg an einer durchaus großen Zahl an Studierenden stützen diese Hypothese. Dabei ist, obwohl der Test nicht direkt trainierbar ist, eine gute Vorbereitung auf den komplexen TMS unerlässlich, um die Struktur des Tests kennenzulernen und sich während des Tests auf den Inhalt konzentrieren zu können. Ausdauer und Stresstoleranz helfen am Testtag zusätzlich, mit dem Druck umzugehen, der bisweilen auf den Teilnehmern lastet.«

Was denken Sie: Würde sich die Medizin verändern, wenn die Abiturnote ihre große Dominanz verlieren würde? Wenn ja, wie?

»Die Abiturnote hat schon jetzt in vielen Bereichen der Auswahl zum Medizinstudium nicht die Dominanz, die ihr gemeinhin nachgesagt wird. Lediglich 20 Prozent der Plätze wurden bislang rein über die Abiturnote vergeben. Viele Hochschulen nutzen im sog. Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH), in dem 60 Prozent der Plätze vergeben werden, neben der Abiturnote zukünftig verstärkt andere Auswahlkriterien, wie zum Beispiel den TMS. Die Kultusministerkonferenz hat sich in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus 2017 auf eine Reform der Zulassung zum Medizinstudium geeinigt, die die Bedeutung der Abiturnote in der AdH-Quote weiter einschränken wird, und zwar für einen Großteil der zu vergebenden Plätze.«

Was heißt das genau?

»In Zukunft muss neben der Abiturnote mindestens ein weiteres Kriterium mit erheblichem Gewicht in das Auswahlverfahren der Hochschulen einfließen. In der neuen »zusätzlichen Eignungsquote«, über die 10 Prozent der Plätze vergeben werden, darf die Abiturleistung sogar gar kein Auswahlkriterium mehr sein. Auf der anderen Seite wird die reine Abiturbestenquote auf 30 Prozent ausgebaut. Dies entspricht dem aktuellen Forschungsstand, dass die Leistung im Abitur ein sicherer Prädiktor für den Erfolg im Studium ist, dass aber auch der Kriterienmix und vor allem der Einsatz von Studierfähigkeitstests die Chancengleichheit erhöhen und den Erfolg im Studium auch für heterogene Studierendenkohorten vorhersagen.
Der Medizinertest wird ja gerade vor dem Hintergrund des Masterplans 2020 neugestaltet, die Uni Heidelberg ist Mitglied des sogenannten Studierendenauswahlverbundes (stav).«

Können Sie zu den Neuerungen schon etwas verraten?  

»Im Rahmen des Studierendenauswahlverbundes stav wird in einem eigenen Schwerpunkt an der Entwicklung eines neuen Tests zu kognitiven Kompetenzen gearbeitet. In eigens durchgeführten Pilotierungsstudien werden neue, innovative Verfahren mit bewährten Aufgabenformaten beispielsweise aus dem TMS kombiniert und untereinander sowie in ihrem Vorhersagewert verglichen. Ziel ist es, aus den verschiedenen Formaten einen neuen Test zusammenzustellen, der deutschlandweit eingesetzt werden kann. Die Entwicklung befindet sich aktuell noch in der Pilotierungsphase, sodass wir zur inhaltlichen Zusammensetzung des neuen Tests zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen können.«


Auf einen Blick: alle Infos zum Medizinertest

  • Mit dem Medizinertest hast du die Möglichkeit, deine Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen. Das Gute: Hier wird nicht einfach Wissen abgeprüft, sondern du kannst mit alternativen Fähigkeiten punkten, die für das Medizinstudium und deine spätere Arbeit wichtig sind.
     
  • Räumliches Vorstellungsvermögen, Textverständnis, Merk- und Konzentrationsfähigkeit sind nur einige der Stärken, die du während der mehr als fünfstündigen Prüfung unter Beweis stellen musst. Wichtig zu wissen: Du kannst den Test nur ein einziges Mal durchlaufen, was den Druck natürlich erhöht.
     
  • Deshalb ist es ratsam, sich gründlich auf den Test vorzubereiten. Die Uni Heidelberg bietet auf ihrer Website eine Broschüre mit allen notwendigen Hinweisen zum Test und zur Testvorbereitung zum Download an. Du erfährst etwas über die Art der Aufgaben, kannst anhand von Beispielaufgaben üben und bekommst Tipps für das Vorgehen bei der Lösung in den verschiedenen Aufgabengruppen.
     
  • Der Medizinertest wird nur einmal im Jahr angeboten und zwar immer in der ersten Maihälfte. Der nächste Termin ist am 9. Mai 2020. Du kannst ihn an diesem Datum bundesweit in zahlreichen Städten absolvieren. Die Anmeldephase läuft seit dem 1. Dezember bis zum 15. Januar 2020, die Teilnahme kostet 83 Euro. Alle wichtigen Infos rund um den Test findest du hier.

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