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Präparationskurs

»Kein Lehrbuch kann diesen Kurs ersetzen«

Wie gehe ich mit dem Tod um? Schon in der Vorklinik müssen sich Medizinstudierende dieser Frage stellen. Denn im Präparationskurs lernen sie Anatomie, Diagnostik und Schnittführung an echten Leichen, sogenannten Körperspendern. Wie sich das anfühlt, erzählen die beiden Präparationsassistenten Franziska Wunsch und Lennart Stegemann gemeinsam mit Professor Dr. Carsten Theiss, Leiter der Abteilung für Cytologie an der Ruhr-Universität Bochum.

Ein Professor steht mit seinen Studierenden im Präparationssaal. Sie präparieren Gewebe von menschlichen Körperspendern.
Angst vor dem Präparationskurs? Muss man nicht haben, sagen die Studierenden Lennart Stegemann, Franziska Wunsch und Dozent Prof. Dr. Carsten Theiss von der Ruhr-Universität Bochum. © Stefan Tempes

Lesedauer: 5 Minuten 

Acht leblose Körper liegen aufgebahrt im Präparationssaal, bedeckt mit formalingetränkten Tüchern. »Genauso finden die Studierenden die Spender auch am ersten Kurstag vor. Bedeckt, damit sie haltbar bleiben«, erzählt Lennart. Seit einem Semester arbeitet er als Präp-Assistent. »Die Tücher nehmen wir dann gemeinsam ab. Anschließend geben wir den Studierenden Zeit, sich an die neue Situation vor dem Leichnam anzupassen.« 

Elf Studierende arbeiten über zwei Semester an einem Körperspender. 32 Spender insgesamt befinden sich im Institut für Anatomie der Ruhr-Universität. Wenn nicht auf den sterilen Stahltischen, dann gelagert in kleinen Kühlkammern. Über 350 Studierende im zweiten und dritten Semester lernen so, abwechselnd in praktischen und theoretischen Teilen, den Aufbau des menschlichen Körpers kennen. »Vor der Präparation, der Arbeit am Körperspender, gibt es eine kurze Abfrage über den vorzubereitenden Stoff«, erzählt Prof. Dr. Carsten Theiss, der Präp-Kurse leitet. »Man muss genau wissen, was zu tun ist. Ist das nicht der Fall, dürfen die Studierenden nicht zum Spender.« Denn der versierte und damit respektvolle Umgang mit dem Körper sei der wichtigste Aspekt bei der Präparationsarbeit. 

Mehr Angst vor dem Physikum

Am ersten Tag im Präparationssaal machen sich die Studierenden zunächst mit dem Körper vor ihnen vertraut. Denn für die meisten Studierenden ist diese hautnahe Begegnung mit dem Tod alles andere als alltäglich. Lennart erinnert sich selbst noch gut an seine erste Stunde vor dem Seziertisch. 80 Leute hätten sich damals vor dem Saal getummelt, sich in grüne Kittel gekleidet, das Präp-Besteck zusammengesucht und anschließend den Raum mit acht Leichen betreten. »Ich habe die ganze Zeit gezittert, weil ich so aufgeregt war. Davor hatte ich noch nie einen Leichnam gesehen.« Das hätte sich zum Glück aber schnell gelegt. Am Ende des Tages seien alle auf die wissenschaftliche Arbeit konzentriert gewesen. »Für uns als angehende Ärzte ist es wichtig, mit dem Tod umgehen zu können. Schließlich wollen wir Patienten später Halt geben.« Generell hätten die wenigsten Studierenden langfristig mit der Arbeit an Leichen Probleme. Ängste und Zurückhaltung seien meist am ersten Tag überwunden. »Den Kursteilnehmern wird höchstens schwindelig, weil sie mehrere Stunden am Tisch stehen«, erzählt Franziska. Schon ab dem zweiten Kurstag stünden das Interesse am menschlichen Körper und die wissenschaftliche Arbeit im Vordergrund. »In der Regel haben die Studierenden langfristig mehr Angst vor dem Physikum als vor dem Präp-Kurs.«

 

»Kein Lehrbuch kann diesen Kurs ersetzen«

Sind die Kursteilnehmer mit der Situation warm geworden, geht es langsam an die Praxis: Knochen werden abgetastet, Partien für Präp-Tage eingeteilt. Doch erst während der kommenden Termine werden erste Schnitte gesetzt, Organe und Gewebe betrachtet und herausgearbeitet. Dabei helfen ihnen die Dozenten und die Präp-Assistenten, »wenn zum Beispiel ein Nerv nicht gefunden oder eine Struktur nicht erkannt wird«, erzählt Franziska. Seit über drei Jahren begleitet sie Studierende bei der Arbeit am Seziertisch. »Es macht mir Spaß, den Kursteilnehmern etwas beizubringen. Aber auch mir hilft der Kurs, die Feinstrukturen zu wiederholen.« Denn genau das könne die gängige Anatomieliteratur in der Form nicht leisten, da der Körper nirgendwo so fassbar sei, wie in diesem Kurs. »Bei Bildern kann ich nicht fühlen, wie unterschiedlich dick die Haut ist, welches Gewebe wo liegt und welcher Nerv an welcher Stelle verläuft, wie sich Muskel über Muskel gruppiert. Kein Lehrbuch kann diesen Kurs ersetzen.« Auch die richtige Schnittführung könnten die schematischen Darstellungen nur schwer vermitteln, ergänzt ihr Kollege Lennart. »Anders als im OP habe ich am Körperspender die Zeit, die ich brauche, um Gewebe zu erkennen und Schnitte zu setzen.«

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