Musik als Medizin: So bauen Ärztinnen und Ärzte Stress ab
Zeitdruck, höchste Konzentration und mitunter schwere Schicksale – diesen stressigen Arbeitsalltag kennst du als Arzt oder Ärztin bestimmt. Aber was machst du in deiner Freizeit, um dich zu entspannen und für deine Arbeit zu stärken? Warum die Musik helfen kann, erzählen eine Geige spielende Augenärztin und ein Psychiater, der in einem Chor singt.
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Gerade unter Ärztinnen und Ärzten ist der Stresspegel aufgrund der Arbeitsbelastung enorm hoch. Sie sind deshalb auch statistisch gesehen besonders gefährdet für einen Burnout. Was also kann dir als Medizinerin oder Mediziner helfen, Stress abzubauen, aber auch deine geforderten Fähigkeiten zu unterstützen? Vielleicht gehst du joggen, machst regelmäßig Yoga und Entspannungsübungen oder malst in deiner Freizeit? Viele Kolleginnen und Kollegen haben die Musik für sich entdeckt. Warum das gerade in der Medizin ein förderliches Hobby sein kann, wissen Dr. Ulrike Kottler und Dr. Joachim Schaal.
Resilienz stärken
Die Augenärztin Dr. Ulrike Kottler aus Bad Wörishofen ist seit 2011 Geigerin im Deutschen Ärzteorchester (DÄO). Wenn sich die rund 150 Mitglieder in pandemiefreien Zeiten normalerweise zwei bis drei Mal jährlich für eine Woche treffen, proben und Benefizkonzerte spielen, dann ist das für Dr. Kottler wie Urlaub: »Ich genieße dieses Gemeinschaftserlebnis. Das ist ein so wertvoller Ausgleich, bei dem man seine eigene Resilienz stärken kann. Das gilt gerade für Kollegen, die täglich mit schlimmen Schicksalen zu tun haben.« Wenn das Orchester zusammenkommt, spielt der stressige Arbeitsalltag aber keine Rolle: »Natürlich weiß ich schon, wer was macht. Aber wir sind in der Zeit wirklich ganz auf die Musik konzentriert. Wir teilen die Freude am Musizieren und von schönen Auftritten zehre ich auch zu Hause noch lange.«
Auch Dr. Schaal tankt in seiner Freizeit mit Musik neue Energie. Der Neurologe und Psychiater ist seit 2015 Mitglied der »Singing Shrinks«, eines Chors, der aus Psychologen und Psychiatern besteht. »Am Ende des oft anstrengenden Montags steht die vitalisierende Chorprobe mit sympathischen Menschen an. Alter, berufliche Position oder gar Standesdünkel sind kein Thema«, erzählt der Berliner.
Lohnendes Gehirnjogging für mehr Work-Life-Balance
Dass sich Musik nicht nur auf die Seele, sondern auch auf körperliche Fähigkeiten wie Konzentration, Fingerfertigkeit und Disziplin positiv auswirkt, bestätigen beide. Dr. Schaal: »Gemeinsame Auftritte machen Spaß und sind immer auch etwas aufregend. Aber das Lernen neuer Lieder, das Auswendiglernen von Songtexten ist zudem ein gutes Gehirnjogging.« Da stimmt Dr. Kottler ein: »Musik ist eigentlich Sport fürs Gehirn. Wer Geige, Klavier oder Trompete spielt, trainiert außerdem seine Finger und Koordination. In unserem Beruf, zum Beispiel als Chirurg, ein wichtiger Aspekt.«
Disziplin für Medizinstudium und -alltag
Dr. Kottler lernte bereits in jungen Jahren das Geigenspiel, war im Jugendsinfonieorchester und hätte eventuell eine professionelle Karriere in Betracht ziehen können. »Es gibt einige Orchesterkollegen, die ein Doppelstudium durchgezogen haben. Ich glaube auch, dass Musik viel Disziplin erfordert, man muss dranbleiben, sich stetig verbessern. Das passt auch zum Medizinstudium. Vielleicht ist es kein Zufall, dass viele Mediziner auch Musiker sind«, meint die stellvertretende Vorsitzende des DÄO. Auch Dr. Schaal wuchs mit klassischer Musik auf, nahm Klavierunterricht. »Popsongs lerne ich jetzt bei den Singing Shrinks sozusagen von innen neu kennen.«
Musik hilft helfen
Das Gerücht, dass gerade klassische Musik bei Ärztinnen und Ärzten Anklang findet, scheint also begründet. »Da muss was dran sein«, meint Dr. Kottler. Die vielen klassischen Orchester und Chöre, in denen Medizinerinnen und Mediziner deutschlandweit mitwirken, sind ein Beleg dafür. Auch, dass das Hobby für den Medizinalltag keine so schlechte Idee ist.