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Institut für Ärztegesundheit

Rechtzeitig Hilfe annehmen

Die Gesundheit der Patient:innen im Blick, da gerät das eigene Wohlbefinden manchmal ins Wanken. Dr. Bernhard Mäulen ist Experte für Ärztegesundheit und weiß, warum Selbstfürsorge gerade für Mediziner:innen so wichtig ist. 

Eine erschöpfte Ärztin lehnt sich an die Wand.
Im stressigen Ärzt:innen-Alltag ist Selbstfürsorge unerlässlich. ©iStock/fizkes

Lesedauer: 5 Minuten

Überlastung, Bürokratie, eigene Erkrankungen, Probleme mit dem Arbeitgeber oder den Patient:innen – Gründe, warum Ärzt:innen psychisch und physisch ans Limit kommen, gibt es viele. Lange Zeit wurde darüber allerdings wenig bis kaum berichtet. »Ich habe vor 20 Jahren hauptsächlich in den USA Literatur und Dokumentationen über Ärztegesundheit gefunden. Hier waren Berichte über depressive oder abhängige Ärzte und Ärztinnen eigentlich nicht vorhanden«, erzählt Dr. Bernhard Mäulen. Das wollte der Psychiater ändern. 

 

Institut für Ärztegesundheit

Mit dem Institut für Ärztegesundheit hat er eine Plattform geschaffen, auf der sich Kolleg:innen informieren und Hilfe holen können. Wer die Internetseite besucht, findet neben Studien und Forschungen auch viele Artikel zu den unterschiedlichsten Themen rund um die Gesundheit von Mediziner:innen. »Das Spektrum geht von Studium über Arbeitsalltag, Abhängigkeit, Eheprobleme bis hin zu Regressansprüchen von Patient:innen und deren psychische Folgen«, sagt Dr. Mäulen.

Nicht unverwundbar

Warum ist das Thema Ärztegesundheit so wichtig – sind etwa gerade Ärzt:innen besonders schlechte Patient:innen? »Das kann man schon ein wenig so sagen«, meint Dr. Mäulen und fügt an: »Wir sind so sozialisiert, dass man halt durchhalten muss, wenn es stressig wird. Viele Ärzte halten sich auch für unverwundbar, das fällt dann auf einen zurück. Nur auf die Nöte der Patienten zu schauen, kann gefährlich werden.«

Überlastung und Krankheit

Nämlich dann, wenn die eigene Gesundheit darunter leidet. Neben einem stressigen Arbeitsalltag aufgrund struktureller Probleme, Bürokratiehürden oder zunehmend aggressiven Patient:innen, kann auch eine verschleppte eigene Erkrankung zur Erschöpfung führen. »Die Pandemie hat nochmal gezeigt, wie verwundbar medizinisches Personal ist, da sind viele gestorben, die anderen helfen wollten«, sagt der Psychiater. Aber auch leichtere Infektionen sowie eine anhaltende psychische Überlastung können dauerhaft zum Problem werden.

Arztberuf ist ein Marathon

»Der Arztberuf ist wunderbar trotz aller Hürden, die man ja auch schon im Studium zu überwinden hat«, betont Dr. Mäulen. »Dennoch ist dieser Job kein Sprint, sondern ein Marathon. Den muss man sich gut einteilen und mit den eigenen Ressourcen schonend umgehen.« Wer dies nicht befolgt, kann ernsthaft krank werden. »Da reicht das Spektrum von einfacher Überlastung bis hin zu einer ernsthaften Depression, Herzinfarkt, Suchtkrankheiten und suizidalen Gedanken«, mahnt Dr. Mäulen. Auch die Aufgabe einer Praxis aus gesundheitlichen Gründen könnte in einigen Fällen vermieden werden, sagt der Experte: »Die Aufgabe einer Praxis kann in den allermeisten Fällen
vermieden werden. Manchmal lassen sich längere Fehlzeiten nicht vermeiden,
aber mit dem Wiedererstarken der Gesundheit kommt in der Regel auch die Arbeitsfähigkeit
zurück.«

Bürokratie und Workload verursachen Stress

Was die Ärzt:innen heute am meisten belastet, lässt sich nicht verallgemeinern. Dr. Mäulen sieht eine große Herausforderung durch immer mehr Arbeitsverdichtung aufgrund von ausscheidenden Kolleg:innen sowie immer mehr Anforderungen durch Schreibarbeit und gleichzeitig weniger Zeit für die eigentliche Behandlung der Patient:innen. »Ethisch ist das eine ganz wichtige Frage. Wenn ich merke, dass ich nicht allen helfen kann, wann nehme ich mich selbst zurück? «, sagt Dr. Mäulen. Ein Konflikt, den viele Ärzt:innen kennen.

Hilfe für Ärzt:innen in Anspruch nehmen

Welche gelben und roten Flaggen sollten Ärzt:innen also beachten, wenn es um ihre eigene Gesundheit geht? Dr. Mäulen: »Jeder hat mal eine schlechte Phase, bin ich aber längere Zeit niedergeschlagen, müde, freudlos und regelrecht stumpf bei der Arbeit, dann sollte ich einen Schritt zurück gehen und mir Hilfe holen. Das kann zunächst ein Gespräch sein, ich vergleiche das gerne mit einem Motorcheck beim Auto. Ist alles noch in Ordnung oder sollte schon bei einem Problem angesetzt werden.« Dringend Hilfe suchen sollten Ärzt:innen, die ohne Suchtmittel wie Alkohol oder Medikamente den Arbeitstag nicht überstehen oder sogar suizidale Gedanken hegen. »Ärzte haben einen einfacheren Zugang zu Medikamenten, was nicht selten in einer Sucht endet. Hier und auch für Suizidgefahr gibt es Anlaufstellen. Beispielsweise über die Landesärztekammern.« Die Scheu, dass die Ärztekammer dann über die Probleme Bescheid weiß, sei unbegründet. Dr. Mäulen: »Hier gilt selbstverständlich auch die ärztliche Schweigepflicht. Zumal sind diese Stellen gerade für eine unmittelbare und schnelle Hilfe sehr zu empfehlen.«

Ärztegesundheit zum Thema machen

Ein Bewusstsein für Ärztegesundheit zu schaffen, möchte Dr. Mäulen mit seinem Online-Angebot. Er würde sich aber auch wünschen, dass bereits im Studium mehr auf das Thema eingegangen würde. »Da sind uns Länder wie England oder Frankreich voraus. Je früher man erkennt, was Gesundheit bedeutet und wie man die eigene Gesundheit schützen kann, desto besser.«
 

 

 

Über die Autor:innen

Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.

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