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Chirurgische Niederlassung

Eigenes Skalpell, eigene Regeln

Das Leben von Chirurg:innen ist oft von der Hektik des Krankenhauses geprägt – Dr. Joachim Schier hat einen anderen Weg eingeschlagen. Mit seiner eigenen Praxis in Mönchengladbach hat er den Sprung in die Niederlassung gewagt.

Instrumente für eine OP werden vorbereitet.
Auch als Chirurg:in kannst du dich mit deiner eigenen Praxis niederlassen. ©iStock/Drs Producoes

Info für mich

Du interessierst dich für eine eigene chirurgische Praxis? Erste Kontakte und Informationen zum Beruf findest du beim Berufsverband der Niedergelassenen Chirurgen (BNC), der Arbeitsgemeinschaft Niedergelassener Chirurgen in deinem Bundesland (ANC) und den Genossenschaften für Niedergelassene Chirurgen in deinem Bundesland (GNC). Für Studierende ist die Mitgliedschaft kostenfrei.

Lesedauer: 7 Minuten

Dr. Schier, was hat Sie dazu bewogen, sich als Chirurg niederzulassen?

Der Hauptgrund war für mich, eigenverantwortlich zu arbeiten. Im Krankenhaus sind Ärzte strukturellen Regeln unterlegen, die sie, je kompetenter und erfahrener sie werden, irgendwann hinterfragen. Eigenverantwortlich arbeiten geht im Krankenhaus nur im Rahmen der Hierarchie und nach Vorgaben des Krankenhauses. Ärzte sind Kontrollen und betriebswirtschaftlichen Zwängen unterlegen. Dem kann man in einer eigenen Praxis schon in einem großen Umfang aus dem Weg gehen.

Sie haben vor Ihrer Niederlassung einige Jahre im Krankenhaus gearbeitet.

Genau, ich habe im Krankenhaus meine Ausbildung zum Allgemein- und Unfallchirurgen gemacht und bin dann nach gut neun Jahren in die Praxis gegangen. Das ist an sich auch die früheste Möglichkeit: Chirurgen brauchen diese Jahre in der Klinik auch, um ausreichend Erfahrung mitzunehmen. Das Gefühl der Sicherheit ist im operativen Bereich schon sehr wichtig.

 

Wie verlief Ihr Übergang von der Klinik in die Niederlassung?

Ich bin über einen kleinen Umweg als Oberarzt aus der Klinik heraus in eine Privatklinik gewechselt. Schon während meiner Kliniktätigkeit pflegte ich den Kontakt zu einigen Praxen. Es ergab sich der glückliche Umstand, dass mich ein ehemaliger Kollege aus dem Krankenhaus, der wohnortnah bei mir in Mönchengladbach niedergelassen war, anrief und fragte, ob ich Lust hätte, zu ihm in die Gemeinschaftspraxis zu kommen, da sein damaliger Kollege altersbedingt ausstieg. Das war ein Idealfall, da wir aus demselben Krankenhaus kamen und schon gemeinsam gearbeitet hatten. Und für mich war es eine sehr gute Gelegenheit, in der Nähe meiner Familie ohne große Umstände in die Praxis einzusteigen.

Wie unterscheidet sich der Alltag in Ihrer Praxis von der Arbeit im Krankenhaus?

Ärzte müssen vielseitige Kompetenzen in der Praxis haben. Es beschränkt sich nicht auf Medizin und Chirurgie, sondern sie müssen sich ums Personal und die Verwaltung kümmern, Prozesse und Qualitätssicherung überwachen, Abrechnung und haftrechtliche Dinge bedenken. Und dabei immer noch gute Medizin in sehr hohen Frequenzen machen. Aber wenn das alles gut strukturiert ist, dann ist eine eigene Praxis das Richtige. Denn man kann die Prozesse selbst bestimmen, Abläufe verschlanken und effizienter machen und ein eigenes Team formen.

Gibt es weitere Vorteile, die Sie gegenüber der Klinik erfahren haben?

Wer fleißig ist und strukturiert arbeitet, kann auch in diesem komplexen System ein gutes Einkommen erzielen, mit dem man seine Familie, für die dann auch mehr Zeit da ist, gut ernähren kann. Und ohne die Nachtdienste ist die Lebensqualität auch besser. Wenn man die mit 45 oder 50 noch macht, ist das sehr anstrengend. Und in der Chirurgie lassen sich die Nachtdienste und das nächtliche Operieren im Krankenhaus nicht vermeiden.

Führen Sie denn die gleichen Eingriffe wie im Krankenhaus durch, oder unterscheiden sie sich?

Die Eingriffe, die ich in meiner Praxis durchführe, unterscheiden sich nicht von denen im Krankenhaus – es ist aber ein eingeschränkteres Spektrum. Das ist der eine Punkt, wo ich ein weinendes Auge hatte, als ich die Klinik verlassen habe. Ärzte müssen sich ein wenig beschränken auf ein anderes Niveau von Chirurgie – auf dem sie aber trotzdem ganz vielen Patienten helfen können.

Welche Eingriffe führen Sie als Niedergelassener durch?

Aufgrund meiner Ausbildung in Allgemein- und Unfallchirurgie bediene ich ein sehr breites Spektrum – diese Ausbildung gibt es übrigens dank der Bemühungen unseres Berufsverbands BNC seit einigen Jahren wieder. Ich decke sowohl die Viszeralchirurgie als auch die Unfall- und Handchirurgie ab. Das bedeutet, dass ich vielen Patienten helfen kann und sie nicht sofort in die Spezialklinik müssen – und auch die stationäre Behandlung verhindern kann.

Würden Sie sagen, dass Sie in der Niederlassung mehr Zeit für Ihr Privatleben haben?

Auf jeden Fall. Ich komme noch aus der Zeit, in der Assistenz- und Oberärzte 60 bis 70 Stunden die Woche gearbeitet haben – mit Nachtarbeit. Das fällt in der Niederlassung bis auf die KV-Dienste sofort weg. Ich habe geregelte Arbeitszeiten tagsüber und kann dann auch selbst entscheiden, wie ich die einteile.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Bedenken, die Medizinstudierende haben, wenn sie über eine Niederlassung in der Chirurgie nachdenken?

Durch meine Mitgliedschaft in verschiedenen Berufsverbänden habe ich unter anderem Kontakt zu einigen Studierenden der Medizin. Ich glaube, das Hauptproblem ist die Angst vor der Verantwortung – die eigenständige Arbeit ohne die Sicherheit eines großen Krankenhauses um sich herum zu haben. Und dann ist auch der Informationsmangel eines der größten Probleme. An der Uni und auch nachher in der Ausbildung gibt es zu wenig Kontakt zu uns in den Praxen. Deshalb ist es auch eines der Hauptziele der Verbände, an den Unis und Krankenhäusern über diese Option und ihre Möglichkeiten zu informieren.

 

Über die Autor:innen

Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.

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