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Prüfungsvorbereitung

Letzter Ausweg: »Professionelles Vorgehen bei Nichtwissen«

Das mündliche Staatsexamen ist eine ganz schöne Herausforderung. Deine Gedanken kreisen nicht nur um den Lernstoff, sondern auch um dein Auftreten bei der Prüfung. René Carolus, Oberarzt für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie am Helios-Klinikum in Krefeld, verrät, worauf Prüfer Wert legen.

Junge Frau in einem Prüfungsgespräch mit ihren Dozenten.
Beim mündlichen Staatsexamen spielt neben dem angeeigneten Wissen auch die verbale und nonverbale Kommunikation eine wichtige Rolle. © iStock.com/ Fizkes

Lesedauer: 4 Minuten 

Herr Carolus, im Unterschied zu den bisherigen Prüfungen im Medizinstudium – worauf kommt es in der mündlichen Prüfung wirklich an?

Mündliche Prüfungen stellen immer eine besondere Herausforderung dar. Hier gilt es, mit verschiedenen Variablen umzugehen. Im Vordergrund steht die Vermarktung, also die Präsentation der eigenen Person. Dazu gehört es, den Fokus auf die verbale und nonverbale Kommunikation zusetzen. Erfahrungsgemäß sind Prüflinge, die sich damit nicht befassen, oft überfordert und die Prüfungsleistung bleibt trotz eines guten Wissenstandes deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Wie können sich Studierende am besten auf eine mündliche Prüfung vorbereiten? 

Aus meiner Sicht sind zwei Punkte bei der Vorbereitung wesentlich: Man sollte sich immer auf jede erdenkliche Prüfungssituation bis hin zum Umgang mit einer Wissenslücke vorbereiten. Dies erreicht man nicht durch reines Auswendiglernen, sondern durch tägliche Prüfungssimulationen in einer kleinen Gruppe von mindestens drei Personen. Jeder ist abwechselnd mal der Prüfer und mal der Prüfling. Entscheidend dabei ist die Erstellung eines Prüfungsprotokolls durch die dritte Person. Dieses sollte im Anschluss analysiert werden, um so immer ein zielgerichtetes Feedback der Simulation zu erreichen.

Auf Lücke lernen: Ist das je nach Persönlichkeit eine gute Idee oder generell zu riskant?

Es gilt allgemein immer erst die Basis vor den Details zu lernen, ähnlich wie im klinischen Alltag. Lücken sollten als erstes in Bezug auf die großen Krankheitsbilder geschlossen werden. Diese werden häufiger abgefragt. Spezialwissen bleibt dann eher für »Einser-Fragerunden« übrig.

Wie wichtig schätzen Sie es ein, ein Vorgespräch zum mündlichen Staatsexamen wahrzunehmen?

Das ist sehr wichtig, vor allem um eine stringente Kommunikationsebene für das spätere Prüfungsgespräch aufzubauen. Studentinnen und Studenten sollten sich zum Vorgespräch Stichpunkte machen, was sie fragen wollen, zum Beispiel: Welche Hilfsmittel sind erlaubt? Wie umfangreich sollte der Patientenuntersuchungsbericht ausfallen? Gibt es für den Prüfer Prioritäten bezüglich der Prüfungsthemen? Im Gespräch sollte der erste Eindruck, den man als Prüfling vermittelt, bereits möglichst professionell sein.

Was sollte alles zur Prüfung mitgebracht werden?

Mitgebracht werden sollten unter anderem ein gültiger Personalausweis, die Ladung zur Prüfung, Kittel, Stethoskop, Namensschild, Visitenleuchte, Reflexhammer, etc. Ich empfehle die Erstellung von Checklisten, damit wichtige Dinge am Prüfungstag nicht vergessen werden. Legt man sich sämtliche Utensilien einen Tag vorher zurecht, reduziert das den Prüfungsstress erheblich. 

Worauf achten die Prüfer besonders? Gibt es psychologische Tricks?

Letztendlich zählt immer das Gesamtpaket. Einzelne Themen oder Fragen sind nie entscheidend. Höchstens, wenn der Prüfling zwischen zwei Noten steht, können diese in den Vordergrund rücken. Wichtig ist, dass die Prüfungsthemen frei vorgetragen werden können, daher sollte das intensiv in den Prüfungssimulationen eingeübt werden. Jeder Prüfling kann sich dadurch im Prüfungsgespräch erheblich verbessern und darüber hinaus seine rhetorische Kompetenz stärken. Dadurch werden auch Prüfungsstress und Angst minimiert. 

Es heißt, angemessene Kleidung spiele während der Prüfung auch eine Rolle, um Professionalität zu beweisen. Mit welcher Kleidung hätten Sie ein Problem?

Ich persönlich habe mit der Kleidung bewusst kein Problem, aber vielleicht unbewusst. Das ist genau der interessante Punkt, denn jeder Mensch hat einen eigenen Wertekanon, den er häufig nicht immer offen vertritt. Entscheidend für die Prüfungsbewertung ist also, wie der Prüfer tickt und welche Vorstellungen er hat. Häufig werden dabei bestimmte Primärtugenden vertreten, wie standesgemäße Kleidung als Ausdruck der eigenen Wertedarstellung und Kommunikation. Mit der Kleidung bringen die Studierenden also zum Ausdruck, wie wichtig ihnen die Prüfung ist. Diesen Umstand kann man als Prüfling ignorieren oder – und das empfehle ich – sich zu nutzen machen, indem man eine angemessene Außendarstellung präsentiert. Bitte nicht falsch verstehen, die Kleidung macht noch keine gute Note aus, trägt aber unbedingt dazu bei. 

Wissen Sie noch, was Ihnen als Student während des Staatsexamens oder der Vorbereitung am meisten Schwierigkeiten bereitet hat? 

Ja, das weiß ich noch ganz genau. Zum einen konnte ich mich nicht so gezielt und effizient vorbereiten, weil ich keinen Masterplan, also einen Lernplan mit genauer Maßgabe der Themen, zur Verfügung hatte. Zum anderen fehlte mir die kommunikative Kompetenz, um ein Prüfungsgespräch auch nur annähernd auf Augenhöhe führen zu können. Dadurch war meine Prüfungsangst überdimensional. Erst in späteren Jahren befasste ich mich intensiv mit verbaler und nonverbaler Kommunikation. Diese Entwicklung führte dazu, dass ich mein Wissen in Verbindung mit meiner langjährigen Erfahrung als Prüfer den Studierenden in Form von Seminaren zur Verfügung stelle, damit sie besser vorbereit sind, als ich es war.

Gibt es eine Prüfungssituation, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? 

Davon gibt es ziemlich viele, vor allem lustige Momente. Ein Prüfling wurde zum Beispiel mal zu dem Thema Narbenbruch befragt und ihm ist partout dieser Begriff nicht eingefallen. Am Ende hat der Prüfer ganz verzweifelt folgende Frage an ihn gerichtet: »Wie nennt man denn das Krankheitsbild, wenn eine Narbe bricht?« Voller Erleichterung kommt der Prüfling nun letztendlich auf den Begriff Narbenbruch – zur Erheiterung sämtlicher Anwesenden.

Und was, wenn der Endgegner doch kommt – die akute Prüfungsangst oder ein Blackout?

Dann zieht man sinnbildlich die Schublade mit der Aufschrift »professionelles Vorgehen bei Nichtwissen« auf. Natürlich muss das Vorgehen vorher im Rahmen der Prüfungssimulation einstudiert werden und zwar authentisch und nicht aufgesetzt beziehungsweise nur auswendig gelernt. Ich empfehle Learning by Doing, dann gibt’s auch keinen Blackout. Und falls doch, und der Prüfungsvorsitzender fragt, ob die Prüfung fortgesetzt werden soll, dann sollte das unbedingt getan werden. Denn dann nehmen Prüfer in der Regel mehr Rücksicht, die Fragen können milder ausfallen und auch die Benotung ist häufiger zugunsten des Prüflings.

6 Tipps auf einen Blick:

  • Verinnerliche den Lernstoff so, dass du ihn auch anwenden kannst. Eigne dir zunächst Basiswissen an und schließe dann Wissenslücken.
  • Simuliere und analysiere Prüfungssituationen in kleinen Gruppen. Trainiere dabei auch deine Sprache, Gestik, Mimik und Körperhaltung.
  • Bereite dich auf unterschiedliche Prüfungssituationen vor und überlege dir einen Notfallplan für Blackout-Situationen.
  • Nimm Vorgespräche gut vorbereitet wahr.
  • Erstelle eine Checkliste, damit du wichtige Dinge am Prüfungstag nicht vergisst.
  • Wähle angemessene Kleidung für die Prüfung.
     

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