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Überörtliche Gemeinschaftspraxis

»Ein gutes Netzwerk ist wichtig«

Dr. Armin Schuster ist seit 1993 in Münster niedergelassen. Dort betreibt er eine überörtliche Gemeinschaftspraxis. Neben dem Hauptstandort in Münster gibt es eine weitere Praxis in Lüdinghausen, wo sich sein Kollege Octavian Bilt niedergelassen hat. Im Interview erklärt Armin Schuster das Prinzip der überörtlichen Gemeinschaftspraxis – und die Vorteile für ihn und seine Kollegen.

Mann mit Blick in die Kamera.
Dr. Armin Schuster

Herr Schuster, Sie betreiben mit einem jungen Kollegen eine überörtliche Gemeinschaftspraxis. Was kann man sich darunter vorstellen?

Das ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxisstandorten in zwei verschiedenen Städten. Ich selbst habe meine Praxis für Allgemeinmedizin in Münster. Mein Partner arbeitet in einem Ort, der etwa eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt ist.

Weshalb haben Sie sich für dieses Modell entschieden?

Meine eigene Praxis führe ich seit fast 20 Jahren. Im Juni 2010 bekam ich einen jungen Weiterbildungsassistenten, der sich niederlassen wollte. Er hat sich aber zunächst nicht getraut, das in eigener Regie zu tun, sondern brauchte einen erfahrenen Partner, der ihn in den ersten Jahren berät.

Wie viel Zeit investieren Sie für die überörtliche Gemeinschaftspraxis?

Das liegt mittlerweile in einem hohen dreistelligen Stundenbereich. Zunächst muss man eine Praxis finden. Wir haben uns mehrere Praxen angesehen, bis wir die gefunden haben, die er Anfang des Jahres übernommen hat. Ich habe ihm auch bei der Gestaltung der Praxisverträge geholfen, bei der Einrichtung der neuen Räumlichkeiten, der Anschaffung neuer Software und der Schulung der Arzthelferinnen.

Wobei braucht man anfangs am meisten Unterstützung?

Wir sind täglich sein Protokoll durchgegangen, insbesondere bei Fragen der richtigen und ausreichenden Abrechnungen. Es dauert Jahre, bis man weiß, wie man da am besten vorgeht. Ich habe in meiner Praxis damals fast fünf Jahre gebraucht, um die Komplexität der Abrechnungsmöglichkeiten voll erfassen zu können. Herr Bilt dagegen konnte durch meine Hilfe von Anfang an typische Anfangs-Abrechnungsfehler vermeiden.

Und wie profitieren Sie davon?

Ich werde in den ersten fünf Jahren mit einem kleinen Anteil an seinem Gewinn beteiligt. Ein anderer Vorteil ist: Wenn jemand ausfällt, kann der andere einspringen. Neulich hat mein Partner kurzfristig eine Fortbildung besucht. Ich war dann halbtageweise bei ihm in der Praxis. Außerdem kann man gemeinsam Material einkaufen, Verträge mit Versicherungen abschließen, wir haben auch den gleichen Steuerberater. Das spart Zeit und erhöht die Chance auf Rabatte.

Weshalb haben Sie sich für die Niederlassung entschieden?

Das war von Anfang an klar. Ich wollte nicht in der hierarchischen Struktur eines Krankenhauses sitzen. Und ich würde es jederzeit wieder machen und es auch jedem empfehlen. Viele ziehen bislang aus einem Sicherheitsdenken heraus das Krankenhaus vor. Doch geregelte Strukturen und Sicherheiten kann man sich auch selbst schaffen – auch um die eigenen Freiräume zu wahren. Ich habe inzwischen zwei Partner in der Praxisgemeinschaft und einen angestellten Arzt. 

Was sagen Sie jungen Medizinern, die vor der Entscheidung stehen: eigene Niederlassung oder nicht?

Dass es nicht immer ein hochtrabender Beruf sein muss wie etwa die Neurochirurgie. Als Hausarzt etwa kann man mit der ganz niedrig angesetzten Basismedizin einen wunderbaren Beruf ausüben, in dem man seine Patienten nicht mal drei Tage lang oder drei Stunden sieht, sondern über 30 Jahre oder länger begleitet.

Welche Unterstützung können Sie dem Nachwuchs bieten?
Wir haben in der Praxis mindestens zehn Studenten als Famulanten und Praktikanten, außerdem bin ich seit neun Jahren im Vorstand eines Hausärzte-Netzwerks. Ich halte Vorträge und versuche, Kontakte zu vermitteln zwischen jungen Ärzten und solchen, die ihre Praxis bald abgeben wollen. 

Warum engagieren Sie sich?
Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen: Ich habe jemandem geholfen, eine Praxis aufzubauen, den ich für sehr geeignet halte und der es ohne meine Hilfe vielleicht nicht getan hätte. Außerdem: Wenn ich an den anderen Standort unserer Gemeinschaftspraxis fahre, einen Ortsteil mit 6500 Einwohnern, da erlebe ich einfach die totale Dankbarkeit dieser Patienten, die sonst wahrscheinlich ohne Hausarzt dastehen würden.

Was raten Sie jungen Ärzten, die sich niederlassen wollen?
Ich würde mir erst einmal in meiner Region das entsprechende Netzwerk suchen. Andere Ärzte wissen oft sehr genau, wer zum Beispiel bald seine Praxis abgeben will. Gerade auf dem Land, wo es sehr viele Einzelpraxen gibt, rate ich dazu, sich nach Kooperationen umzusehen. Denn viele scheuen die Eigenverantwortung. Da wird eben nicht wie im Krankenhaus in der Teamsitzung entschieden, wie es mit dem Patienten weitergeht. Ein bisschen Unterstützung kann sehr gut tun.

Was erwartet junge Mediziner als Weiterbildungsassistenten in der Praxis?
Gerade haben wir unsere dritte Weiterbildungsassistentin. Sie kann uns immer alles fragen, da wird selten etwas vertagt. Denn der Patient sitzt einem ja direkt gegenüber und möchte sofort Antworten. Und nur ein Zimmer weiter können sich die Assistenten Rat holen. Das ist auch der Vorteil an Kooperationen: Man ist nicht so allein auf sich gestellt.

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