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Parität in der ärztlichen Berufspolitik

»Es müssen Vorbilder da sein«

Ein Großteil der angehenden Ärzt:innen ist weiblich – rund 60 Prozent aller Medizinstudierenden sind Frauen. Diese Verteilung spiegelt sich jedoch nicht in Spitzenpositionen wider. Berufspolitische Gremien und Kliniken sind immer noch hauptsächlich männlich besetzt. Daran muss sich etwas ändern, findet Jana Pannenbäcker, Vorstandsmitglied im Deutschen Ärztinnenbund. Im Interview erzählt sie, was die wichtigsten Themen für Medizinerinnen sind und wie sie Engagement und Weiterbildung unter einen Hut bekommt.

Ein Porträt der Ärztin Jana Pannenbäcker.
Jana Pannenbäcker ist Allgemeinärztin in Weiterbildung in einer Hausarztpraxis und Vorstandsmitglied im Deutschen Ärztinnenbund. ©privat

Info für mich

Das »Mentorinnen-Netzwerk« des Deutschen Ärztinnenbundes ist ein Sparringsprogramm für Studentinnen, Weiterbildungs-assistentinnen und Ärztinnen. Erfahrene Kolleginnen unterstützen ihre Mentees bei Fragen rund um Berufsplanung, Engagement und Work-Life-Balance.

Lesedauer: 5 Minuten

Frau Pannenbäcker, wie kam es dazu, dass Sie sich im Ärztinnenbund engagieren?

In meiner Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin habe ich an einer Balint-Gruppe teilgenommen*. Dr. Christiane Groß, die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, hat meine Gruppe geleitet. Im weiteren Verlauf ist sie meine Mentorin geworden und hat mir den Weg Richtung Berufspolitik gezeigt – und ich habe gesehen, dass dort unglaublich viele männliche und ältere Kollegen aktiv sind. Da habe ich mich gefragt: Wie soll eine Berufspolitik für uns jüngere Kollegen, aber vor allem auch Ärztinnen sein, wenn sie hauptsächlich von Männern gestaltet wird? Da sich der Ärztinnenbund nicht nur für Parität in Führungspositionen, sondern auch in berufspolitischen Gremien einsetzt, bin ich dort aktiv geworden. Und so ist es dann auch gekommen, dass ich im Oktober 2021 mit in den Vorstand gewählt wurde.

*Eine Balint-Gruppe ist eine Arbeitsgruppe mit mehreren Ärzt:innen, die durch Erfahrungsaustausch die Arzt-Patient-Beziehung fördern soll.

Welche Strukturen müssen geschaffen werden, um Parität unter Mediziner:innen zu fördern?

Grundsätzlich muss ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden in Bezug auf die vermeintlichen Rollenbilder von Mann und Frau. Auch eine Frau kann Karriere machen und der Mann ihr den Rücken freihalten. Genau deshalb sollten berufspolitische Gremien paritätisch besetzt werden, damit die Sichtweise der Frauen mit einfließt. Natürlich können sich auch Männer einen Kopf darum machen, wenn es zum Beispiel darum geht, wie schwangere Ärztinnen arbeiten können. Aber am besten können das doch eher die Frauen nachempfinden. Denn eine schwangere Ärztin sollte nicht grundsätzlich ins Beschäftigungsverbot müssen. Es muss die Möglichkeit geben, dass ihr andere Aufgaben zugeteilt werden, damit sie ärztlich sinnvoll weiterarbeiten kann.

Familienthemen sind also wichtig?

Ich glaube, es müssen grundsätzlich neue Arbeitszeitmodelle entstehen. Es sollte Normalität sein, dass Spitzenpositionen geteilt werden. Es muss ein System geschaffen werden, um Kinder besser zu betreuen. Wie soll eine Frau morgens um 7 Uhr bei der Chefarztvisite sein, wenn die KiTa erst um 8 Uhr aufmacht? Da nützt es auch nichts zu sagen, der Vater solle das machen. Wenn der Partner auch einen ärztlichen Beruf hat, dann wird er genau dasselbe Problem haben.

Was wird in Zukunft wichtig für den weiblichen Medizinernachwuchs sein?

Es müssen Vorbilder da sein, die uns zeigen, dass mehrere Lebensbereiche und der Beruf unter einen Hut zu kriegen sind. Menschen, die zeigen, was alles möglich ist. Dafür müssen wir die jungen Kolleginnen und Kollegen motivieren, selber aktiv zu werden und sich zu engagieren. Wir haben das Privileg, diesen tollen Beruf machen zu können und durch Berufspolitik unsere Arbeitsbedingungen mitzugestalten.

Was ist das wichtigste Thema für Sie zurzeit?

Für mich ist das eine paritätische Besetzung in ärztlichen Spitzenpositionen und Gremien. Wir haben mehr als 60 Prozent Medizinstudentinnen in Deutschland. Die Spitzenpositionen in universitären Kliniken sind nur zu 13 Prozent durch Frauen besetzt. Wenn wir in die Berufspolitik schauen, dann sind zum Beispiel von 17 Landesärztekammern nur zwei mit Präsidentinnen besetzt. Das kann einfach nicht sein.

Wie kann man diese Situation lösen?

Wir beim Deutschen Ärztinnenbund fordern nicht nur Parität, wir fördern sie auch – zum Beispiel durch ein Mentorinnen-Netzwerk. Junge Kolleginnen werden dort an die Hand genommen: Welche Möglichkeiten haben sie, wo kann ihnen geholfen werden, worauf müssen sie achten? Gerade die Berufspolitik ist für viele, die neu reinkommen, völlig fremd. Da muss man erstmal Fuß fassen und Abläufe lernen.

Wie stemmen Sie Ihr Engagement neben dem Job als Medizinerin – welche Strukturen haben Sie sich geschaffen?

Die ein oder andere Stunde Schlaf fällt mal weg (lacht). Aber ich habe vor allem den Weg raus aus der Klinik in die Praxis gewählt und dadurch die Möglichkeit, an manchen Nachmittagen frei zu haben und mir Zeitfenster für mein Engagement zu öffnen. Gleichzeitig habe ich auch Menschen um mich herum, die mir sagen: »Mach mal langsam.« Denn manchmal ist es schon recht viel – ich bin ja nicht nur im Deutschen Ärztinnenbund aktiv, sondern auch im Arbeitskreis »Junge Ärztinnen und Ärzte« bei der Landesärztekammer Westfalen-Lippe. Das kommt da noch on top drauf. Und dann habe ich natürlich auch ein Privatleben und Hobbys, was ebenfalls Zeit beansprucht. Aber ich habe die Hoffnung, dass ich etwas mit meinem Engagement verändern kann. Das motiviert mich. Und ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn man etwas mit Begeisterung tut, es gut wird. Deswegen bin ich bereit, meine Zeit zu investieren.

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