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Gebärdensprache in der Praxis

Kommunikation mit gehörlosen Patient:innen

Wenn gehörlose oder hörgeschädigte Patient:innen in die Arztpraxis kommen, ist sowohl die Verständigung als auch die Behandlung für alle herausfordernd. Doch es gibt Möglichkeiten, sich als Praxisteam vorzubereiten. Welche Rolle kann dabei die Gebärdensprache spielen?

Eine junge Frau sitzt in einer Praxis ihrem Arzt gegenüber. Beide unterhalten sich mithilfe der Gebärdensprache.
Rund 80.000 Menschen in Deutschland sind gehörlos. Etwa 250.000 nutzen die Deutsche Gebärdensprache, kurz DGS, darunter auch Schwerhörige und Menschen mit elektronischer Hörprothese. ©iStock/Mariia Vitkovska

Lesedauer: 5 Minuten

Einfach anrufen und einen Termin in der Praxis vereinbaren? Fehlanzeige. Sich an der Anmeldung vorstellen und erläutern, warum man in die Praxis kommt? Eine Hürde. Gehörlose beziehungsweise hörgeschädigte Menschen stehen vor vielen Problemen, wenn sie die Arztpraxis aufsuchen möchten.

Barrieren abbauen

Du und dein Praxisteam können einiges dafür tun, diese Patient:innen zu unterstützen. Zum Beispiel kann es Betroffenen helfen, wenn sie Termine per E-Mail, WhatsApp-Kontakt oder Online-Tools vereinbaren können. Auf diese Weise können Patient:innen Termine anfragen oder auswählen und dir erste Erläuterungen mitteilen, warum sie in deine Praxis kommen möchten.

Für die Praxisorganisation kann es hilfreich sein, Patient:innenakten von gehörlosen Menschen besonders zu kennzeichnen. So kann dein Team direkt erkennen, dass hier eine andere Art der Kommunikation nötig ist.

Kommunikation ohne Gebärdensprache

Wenn gehörlose Patient:innen eher selten in deine Praxis kommen, kann die Kommunikation zunächst zum Beispiel über ein Smartphone laufen und der Arzt oder die Ärztin sich mit den Patient:innen schriftlich austauschen. Dabei ist es sehr wichtig, einfach zu formulieren und auf Fachausdrücke zu verzichten. Das kostet allerdings Mühe und Zeit und es besteht die Gefahr, dass nicht alles vermittelt wird. Einige Patient:innen können einen Teil des Gesagten (rund 30 Prozent) auch von den Lippen ablesen. Damit das gelingt, solltest du langsam sprechen, kurze Sätze formulieren, den Blickkontakt halten und darauf achten, ob die Patient:innen folgen können.

Du und dein Team könnt auch visuelle und gestische Hilfsmittel (Zeigen, Grafiken, Fotos etc.) nutzen. Außerdem könnt ihr als Gesundheitsfachleute den Patient:innen Informationen über Hilfsnetzwerke für Gehörlose zur Verfügung stellen.

Doch sobald du komplexere Gespräche über Medikamente und Behandlung führen musst, bieten sich andere Kommunikationswege an.

Behandlung mit Gebärdensprache

Eine gute Lösung ist es, wenn sich betroffene Patient:innen vor dem Arztbesuch eine:n Gebärdendolmetscher:in organisieren. Du kannst die Patient:innen als behandelnder Arzt oder behandelnde Ärztin darüber informieren, dass die gesetzliche Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt und gegebenenfalls deine Unterstützung bei der Organisation anbieten.

Diese Dolmetscher:innen sind auch für komplexere Arztgespräche geschult und sorgen dafür, dass alle relevanten Informationen zur Behandlung und Therapie vermittelt werden.  Wenn regelmäßig hörgeschädigte Menschen in deine Praxis kommen, kannst du zum Beispiel am Empfang Visitenkarten von Gebärdendolmetscher:innen bereitstellen und ihre Kontaktmöglichkeiten auf deine Website aufnehmen.

Es ist nicht immer möglich, die Dolmetscher:innen rechtzeitig zu buchen, da sie stark nachgefragt sind. Dann ist es hilfreich, wenn du selbst die Gebärdensprache in Grundzügen beherrschst oder dein Team entsprechend geschult ist. Übrigens: Es gibt keine einheitliche Gebärdensprache. Jedes Land nutzt andere Gebärden und es gibt auch Dialekte – ganz ähnlich zur gesprochenen Sprache.

Wenn Angehörige übersetzen

Mitunter kommt es vor, dass Angehörige von hörgeschädigten Personen diese in die Praxis begleiten und bei der Kommunikation unterstützen. Dennoch ist es sinnvoll, auch in diesem Fall bei komplexeren Beschwerden einen professionellen Dolmetscher zu beauftragen. Angehörige sind nicht immer in der Lage, schwierige Sachverhalte korrekt in Gebärdensprache zu übersetzen oder dolmetschen zum Beispiel aus persönlichen Gründen Dinge anders, als es die Umstände eventuell erfordern.

Welche Gebärden helfen weiter?

Es gibt Gebärden für zentrale Begriffe wie Schmerz oder Rezept, die im Gespräch mit Patient:innen immer wiederkehren. Sie können eine Basis für deine Gebärdenkenntnisse bilden.

Das gilt auch für bestimmte Begriffe, die zum Beispiel bei der Anmeldung immer wieder wichtig sind. Daher ist es sinnvoll, auch dein Team für den besonderen Umgang mit gehörlosen Patient:innen zu sensibilisieren. Die Mitarbeitenden können gleich bei der Anmeldung fragen, wie der oder die Hörgeschädigte am besten klarkommt.

Um eine bedarfsgerechte Kommunikation auf Augenhöhe mit hörgeschädigten Menschen zu erreichen, ist das Erlernen der wichtigsten Gebärden hilfreich. Es gibt unterschiedliche Anbieter, bei denen du dich und dein Team dafür fit machen kannst.

Entsprechende Kurse kannst du an Sprachschulen, Verbänden und Zentren für Gehörlose besuchen. Es gibt auch Onlinekurse über die du die Gebärdensprache komplett virtuell erlernen kannst. Informieren kannst du dich zum Beispiel bei den Landesdolmetscherzentralen für Gebärdensprache.

Mittlerweile bieten einige Universitäten schon im Medizinstudium an, die Deutsche Gebärdensprache zu erlernen, zum Beispiel die Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Weitere Informationen zum Thema:

Der Deutsche Gehörlosen-Bund bietet auf seiner Website umfangreiche Informationen zu Gebärdendolmetscher:innen an.

Die Dissertation »Erfahrungen gehörloser Patienten im ambulanten Gesundheitssystem: eine qualitative Befragung von Gehörlosen und Gebärdensprachdolmetschern« fasst unterschiedliche Aspekte zusammen, wie gehörlose Menschen die Behandlung in Praxen erleben. 
 

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