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Erfahrungsbericht

Verantwortung tragen lernen

Wie ist das, wenn man den Raum betritt – und man hat die gesamte Verantwortung für Diagnosen und Therapien selbst in der Hand? Wir haben mit dem 26-jährigen Assistenzart Bernhard Bertlich gesprochen.

Ein Arzt mit einem weißen Kittel in einer Praxis.
Bernhard Bertlich ist Assistenzarzt und wird Schritt für Schritt an seine Aufgaben in der Klinik herangeführt – dennoch bleibt es ein Sprung ins kalte Wasser. Bild: © Stefan Tempes

Lesedauer: 2 Minuten

Herr Bertlich, erinnern Sie sich an Ihre ersten Schritte als Assistenzarzt?

Erst einmal hat man vor dieser Aufgabe viel Respekt, klar. Aber ich hatte ehrlich gesagt auch gedacht, dass es nach dem PJ schlimmer wird. Der Einstieg war bei mir ganz gut: Ich wurde einer Abteilung zugeteilt, in der schon erfahrene Kollegen waren. Ich konnte beim Chefarzt starten, der mich unter seine Fittiche nahm. Und es ging so los, dass ich einzelne Tätigkeiten übernommen habe und dann nach und nach einzelne Patienten und einzelne Zimmer, bis ich dann im Schnitt 14 Patienten betreute. Da wurde ich schon langsam herangeführt – ein Sprung ins kalte Wasser war es natürlich trotzdem.

Wie fühlt es sich an, wenn man zum ersten Mal selber die Diagnose stellt?

Es ist ein schönes Gefühl, wenn man die richtige Diagnose stellt und weiß: Ja, das ist jetzt der Ansatzpunkt, mit dem wir dem Patienten helfen können. Mit der Therapie ist es oft schwierig, vor allem mit den Medikamenten.

Woran liegt das?

Du lernst an der Uni die Wirkstoffe, aber nicht die Namen der Medikamente und die Dosierung erst recht nicht. In das Thema musst du dich komplett einarbeiten, damit du die richtige Dosis und das richtige Medikament gibst. Das ist schon eine große Verantwortung, die du übernimmst, aber das lernst du schnell. Und man wird ja nicht komplett allein gelassen und kann sich immer an jemanden wenden – ob es jetzt erfahrene Assistenzärzte sind oder Oberärzte.

Ist man dann erstmal stolz, weil man den nächsten Schritt im Job macht oder schwingt da auch Nervosität mit?

Beides. In vielen Dingen ist man natürlich noch unsicher, aber man ist auch stolz, dass man endlich anfangen kann zu arbeiten.

Wie verändert sich denn die Kommunikation mit den Patienten?

Sie haben von Anfang an hohe Ansprüche, denn sie nehmen dich als Arzt wahr, verlassen sich auf dich und halten dich für den Experten schlechthin. Klar, du hast dein Studienwissen, aber es ist natürlich immer noch ein Unterschied zur Klinik. Da musst du am Anfang viel nachfragen und nachlesen, damit du die richtigen Informationen geben kannst. Das ist schon anspruchsvoll. Auf einigen Stationen treten immer wiederkehrende Krankheitsbilder auf, hier hast du schnell die Informationen, die du brauchst, zusammen – in der Gastroenterologie ist es beispielsweise oft eine Gallenblasenentzündung. Es sind also häufig ähnliche Fragen, die die Patienten stellen. Und jetzt auf der Onkologie ist es natürlich wieder neu. Da kommen neue Krankheitsbilder dazu. Man fängt von vorne an.

Wie haben Sie so in Ihre Rolle als Arzt hineingefunden?

Schritt für Schritt. Ein großer Sprung war es für mich, die ersten Dienste zu machen. Das war bei mir schon nach drei Monaten der Fall. In der Ambulanz hast du schon eine ganz andere Verantwortung in den Diensten, denn du hast diesen Back-up der Oberärzte nicht. Man muss selbst entscheiden: Wird der Patient aufgenommen oder nicht? Wo lege ich ihn hin? Ist er intensivpflichtig oder kommt er vielleicht doch in die Peripherie? Du leitest die ersten Behandlungsschritte selbst ein, bis sie dann am nächsten Tag von jemandem gegengecheckt werden. Das ist schon ein Schritt. Ansonsten wird man Stück für Stück an das Arztdasein herangeführt. Das geht schnell.

Woran liegt das?

Es kommt einfach eine Menge auf einen zu, deshalb lernt man auch so viel – und hat ja auch keine andere Möglichkeit! Dem Anspruch, den die Patienten und die klinischen Mentoren an dich haben, musst du ja gerecht werden.

Nehmen Sie Ihre Gedanken von der Arbeit auch mit nach Hause?

Sehr selten. Man hat hier natürlich auch immer mit dem Tod zu tun, beispielsweise wird man in den Diensten oftmals zur Leichenschau gerufen. Was mich aber eher beschäftigt, sind Situationen mit kritischen Krankheitsverläufen, in denen man sich hinterfragt: Habe ich alles getan? Wurde alles gemacht? Hätte man was anderes tun können? Oder wenn es wirklich traurige Situationen sind, besonders wenn junge Patienten erkrankt sind.

Als Assistenzarzt gehen Sie ja jeden Morgen mit den Oberärzten die Patienten und ihre Krankheitsbilder durch. Was lernt man dadurch?

Man lernt, seine Abläufe zu strukturieren. Durch die Fragen der Oberärzte wird man daran herangeführt, was wichtig ist und was nicht. Man lernt, wie die Oberärzte zu denken: Das hier ist die Haupterkrankung, das hier die Nebenerkrankung und daraus resultiert dieses und jenes. Wenn sich die Struktur dann im eigenen Kopf verfestigt hat, werden die Fragen weniger.

 

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